<287> Fleiß ist aller Tugenden Beginn. Das ist eine feststehende Wahrheit, bestätigt durch die Erfahrung aller Zeiten und Länder.
Soviel von Epikur; ich glaube, es genügt. Wenden wir uns nun Ihren eignen Meinungen zu. Verurteilen Sie die Ehrsüchtigen; das ist mir recht. Tadeln Sie die Geizigen; ich stimme Ihnen bei. Aber dürfen Sie sich deshalb durch unverdaute Begriffe und armselige Vorurteile verleiten lassen, Ihre Mitarbeit am allgemeinen Wohl zu verweigern? Sie besitzen alles, was zu solcher Arbeit erforderlich ist, Geist, Rechtschaffenheit, Talente. Da die Natur Ihnen nichts versagt hat, was Ihnen guten Ruf verschaffen könnte, so sind Sie unentschuldbar, wenn Sie die Gaben, mit denen Sie überhäuft sind, unbenutzt lassen. Sie übertreiben Ihre Unabhängigkeit, Ihr angebliches Königtum, die Freiheit, die Sie zu genießen vorgeben und die Sie über die ganze Welt erhebt. Ja, ich zolle Ihnen Beifall, wenn Sie unter Ihrer Unabhängigkeit Selbstbeherrschung, unter Ihrem Königtum Gewalt über Ihre Leidenschaften verstehen. Sie können sich über viele Ihres Geschlechts erheben, wenn glühende Liebe zur Tugend Sie beseelt, wenn Sie ihr alle Tage, was sage ich, alle Augenblicke Ihres Daseins weihen. Ohne diese Berichtigung aber ist die Unabhängigkeit, deren Sie sich rühmen, nichts als Neigung zum Müßiggang, mit schönen Worten verbrämt; und die Trägheit, die Sie beständig preisen und die Sie zu allem und jedem unbrauchbar macht, erzeugt als natürliche Folge Langeweile. Fügen Sie das boshafte Urteil der Welt hinzu, die stets zu übler Nachrede bereit ist. Man wird Ihren Müßiggang beim rechten Namen nennen und Gott weiß welche Spöttereien gegen Sie loslassen, um sich an Ihrer Gleichgültigkeit gegen das öffentliche Wohl zu rächen.
Genügt das alles noch nicht, um Sie zu überzeugen, so muß ich wohl noch eine Stelle aus der Bibel anführen: „Im Schweiße Deines Angesichts sollst Du Dein Brot essen.“ Wir sind auf der Welt, um zu arbeiten. Das ist so wahr, daß auf hundert Menschen achtundneunzig kommen, die arbeiten, und zwei, die mit ihrer Untätigkeit prahlen. Wenn es so törichte Menschen gibt, die ihre Eitelkeit dareinsetzen, nichts zu tun und den ganzen Tag die Arme zu verschränken, so sind die Arbeitsamen doch weit besser dran; denn der Geist braucht etwas, das ihn beschäftigt und zerstreut; er bedarf der Gegenstände, die seine Aufmerksamkeit fesseln; sonst ergreift ihn Überdruß und macht ihm sein Dasein zur unerträglichen Last.
Ich rede hier ohne Rückhalt zu Ihnen; denn Sie sind für die Wahrheit geschaffen, Sie sind wert, sie zu hören, und ich liebe Sie zu sehr, um Ihnen etwas zu verhehlen. Mein einziges Ziel ist, Sie dem Vaterlande wiederzugewinnen und ihm in Ihrer Person ein nützliches Werkzeug zu geben, aus dem es Nutzen ziehen kann. Das allein leitet meine Feder und bewegt mich, Ihnen alles darzulegen, was die Vaterlandsliebe mir eingibt. Der Eifer für das allgemeine Wohl war der Grundsatz aller guten Regierungen in alter und neuer Zeit, die Grundlage ihrer Größe und ihres Gedeihens. Die unbestreitbaren Wirkungen davon brachten gute Bürger hervor und