<293> Ihnen nicht an! Sie gehörte eher in den Mund eines, der seinen geringen Talenten mißtraut, sich seiner Unfähigkeit bewußt ist oder fürchtet, daß sein Mangel an Zuverlässigkeit ihn um seinen Ruf bringen möchte. Dürfen Sie so reden, Sie, ein Mann von Geist, Kenntnissen und guten Sitten? Welch schlimmes Urteil würde die Welt fällen, wenn sie solche üblen Ausreden erführe? Sie sagen ferner, jetzt wären Sie niemandem Rechenschaft über Ihr Tun und Lassen schuldig. Sind Sie denn nicht verantwortlich vor der Öffentlichkeit, deren durchdringendem Blick nichts entgeht? Sie wird Sie entweder der Trägheit oder der Fühllosigkeit zeihen, wird sagen, daß Sie Ihre Fähigkeiten brach liegen lassen, daß Sie Ihre Talente vergraben, daß Sie, gleichgültig gegen Ihre Mitmenschen, nichts als Eigenliebe kennen. Sie fügen hinzu, Sie brauchten sich nicht zu Diensten zu bequemen, da Sie reich wären. Ich gebe zu, Sie brauchen kein Tagelöhner zu sein, um Ihr Dasein zu fristen. Aber gerade weil Sie reich sind, haben Sie mehr als irgend jemand die Pflicht, Ihrem Vaterlande Anhänglichkeit und Dankbarkeit zu beweisen, indem Sie ihm mit Liebe und Eifer dienen. Je weniger Sie es nötig haben, um so größer ist Ihr Verdienst. Die Leistungen der einen entspringen aus ihrer Dürftigkeit, die der andren sind unentgeltlich.

Ferner füllen Sie mir die Ohren mit alten, abgedroschenen Redensarten, daß Verdienst wenig Anerkennung und noch seltener Lohn fände, daß Sie nach langem Aufwand von Sorgen und Mühen in Ihrem Amte doch Gefahr liefen, zurückgesetzt zu werden, ja wohl gar schuldlos in Ungnade zu fallen. Hierauf wird mir die Antwort sehr leicht. Ich bin überzeugt. Sie besitzen Verdiensie: machen Sie sie bekannt! Vernehmen Sie, daß edle Taten in unsrem Jahrhundert so gut Beifall finden, wie in früheren Zeiten. Die ganze Welt stimmt in das Lob des Prinzen Eugen ein; noch heute bewundert man seine Talente, seine Tugenden und Großtaten. Als der Marschall von Sachsen den ruhmreichen Feldzug von Laveld (1747) beendet hatte1, bezeigte ihm ganz Paris seine Dankbarkeit. Nie vergißt Frankreich, was es dem Kriegsminster Colbert verdankt. Das Andenken dieses großen Mannes wird länger bestehen als das Louvre. England rühmt sich eines Newton, Deutschland eines Leibniz. Wollen Sie neuere Beispiele? Preußen achtet und ehrt den Namen seines Großkanzlers Cocceji, der seine Gesetze so weise erneuert hat2. Und was soll ich erst von so vielen großen Männern sagen, deren Verdiensten man Denkmäler auf öffentlichen Plätzen in Berlin errichtet hat3? Hätten diese berühmten Toten so gedacht wie Sie, die Nachwelt hätte nie von ihrem Dasein erfahren.

Sie setzen hinzu, es bewürben sich so viele um Ämter, daß es unnütz wäre, in ihre Reihen zu treten. Hier liegt der Fehler Ihrer Beweisführung. Dächte alle Welt wie Sie, so blieben notwendig alle Stellen leer und folglich alle Ämter unbesetzt.


1 Vgl. Bd. III, S. 16.

2 Vgl. S. 36.

3 Das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten auf der Kurfürstenbrücke wurde 1703 errichtet, die Statuen auf dem Wilhelmsplatz vom Feldmarschall Schwerin 1769, von Winterfeldt 1777. Später folgten die von Seydlitz (1784), Feldmarschall Keith (1786), Zielen (1794) und Fürst Leopold von Anhalt-Dessau (1800).