Nicht geringer ist eine zweite Schwierigkeit: die Fürsten verachten die Gelehrten insgemein. Ihre nachlässige Kleidung, mit Bibliothekssiaub bedeckt, und das Miß, Verhältnis zwischen einem mit guten Kenntnissen ausgestatteten Him und dem leeren Schädel der hohen Herrschaften führt dahin, daß diese sich über das Äußere der Gelehrten lustig machen, während die bedeutende Persönlichkeit ihnen entgeht. Für die Höflinge ist die Meinung der Fürsten zu sehr Gesetz, als daß sie anders zu denken wagten, und so verachten sie gleichfalls die Leute, die tausendmal mehr wert sind als sie. O tempora, o mores
Der König an die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth
(16. November 1746)
Ich glaube, Du bist jetzt in Bayreuth im Mittelpunkt der Künste und Vergnügungen. Auch hier haben wir einige. Aber ich bin weit entfernt zu glauben, daß die Künste in Frankreich dahinsiechen. Dort finden sie mehr Ermunterung als im ganzen übrigen Europa. Zur Hochzeit des Dauphins1 sind in Paris zwanzig neue Komödien und Tragödien geschrieben worden, wogegen wir in Deutschland keine einzige haben. Wir kommen eben erst aus der Barbarei heraus, und die Künste liegen noch in den Windeln, aber die Franzosen haben schon ein Stück Wegs zurückgelegt und sind uns vor allem in jeder Art von Erfolg um ein Jahrhundert voraus. Ich habe in Berlin einen geschickten Kupferstecher2 der schöne Pasiellbilder malt. Ich werde mir erlauben, Dir eins zu schicken, um zu sehen, ob es Dich befriedigt. Aus Paris erwarte ich Maler und BUdhauer für die Akademie; sie sind noch nicht angelangt, und die Maler sind nur Historienmaler. Wir haben einen vorzüglichen Dekorationskünstler namens Bellavita3 bekommen und erwarten noch die Astrua4, eine ausgezeichnete Sängerin. Das sind lauter Ausländer. Wenn sie bei uns keine Schule machen, wird es sein wie in Frankreich zur Zeit Franz' I. Der ließ Künstler aus Italien kommen, aber sie zeitigten keine Früchte.
1 Die Vermählung des Dauphins Ludwig mit Prinzessin Maria Josepha von Sachsen erfolgte am 9. Februar 1747.
2 Georg Friedrich Schmidt (1712—1775), 1744 nach Berlin berufen, der Illusstrator der „Œuvres du philosophe de Sanssouci“.
3 Innocente Bellavita.
4 Giovanna Astrua (†1757).