<33> und unbestimmten Ausdrücken gefaßt sind und schließlich, wenn sie im Sinn oder Ausdruck Widersprüche enthalten. Auf diesen Punkt wollen wir etwas näher ein, gehen.
Die Gesetze des Osiris zum Beispiel gehören zur ersten Kategorie. Nach ihnen mußte, wer das Diebshandwerk ergreifen wollte, sich bei seinem Hauptmann einschreiben lassen und ihm alles Geraubte sofort abgeben. Die Bestohlenen gingen dann zu dem Hauptmann der Diebsbande, um ihr Eigentum zurückzufordern, und erhielten es auch, wenn sie den vierten Teil des Wertes erlegten. (Diodor.) Auf diese Weise glaubte der Gesetzgeber den Bürgern ein Mittel zu geben, um gegen geringen Tribut das Ihrige wiederzuerlangen. Aber das war ein Mittel, alle Ägypter zu Dieben zu machen. Daran dachte Osiris gewiß nicht, als er sein Gesetz gab. Man müßte denn behaupten, er habe den Diebstahl als ein nicht zu verhinderndes Übel angesehen, ebenso wie die Regierung in Amsterdam die Speelhuysen duldet und die in Rom privilegierte Freudenhäuser. Aber die guten Sitten und die öffentliche Sicherheit würden erfordern, daß man das Gesetz des Osiris abschaffte, wenn es unglücklicherweise irgendwo bestände.
Die Franzosen sind darin das Gegenteil der Ägypter. Wo diese zu milde waren, sind sie zu streng, ja von grausamer Härte, da sie alle Hausdiebe mit dem Tode bestrafen. Zu ihrer Rechtfertigung sagen sie, durch sirenge Bestrafung der Beutelschneider rotte man den Samen der Räuber und Mörder aus.
Die natürliche Billigkeit verlangt ein rechtes Verhältnis zwischen Verbrechen und Strafe. Diebstähle unter erschwerenden Umständen verdienen den Tod. Bei solchen, die keinen gewalttätigen Charakter besitzen, kann man Mitleid mit dem Täter haben. Zwischen dem Schicksal eines Reichen und eines Armen gähnt eine Kluft. Jener strotzt von Gütern und schwimmt im Überfluß. Dieser ist vom Glück verlassen und entbehrt selbst das Nötigste. Wenn nun ein Unglücklicher, um sein Leben zu fristen, ein paar Goldstücke, eine goldne Uhr oder ähnliche Kleinigkeiten einem Manne entwendet, der bei seinem Reichtum den Verlust garnicht merkt, muß dieser Unglückliche dafür mit dem Tode büßen? Ist es nicht ein Gebot der Menschlichkeit, eine so übertriebene Strafe zu mildern? Offenbar haben die Reichen jenes Gesetz gemacht. Hätten nun die Armen nicht das Recht, zu sagen: „Warum erbarmt man sich nicht unsres kläglichen Loses? Wäret ihr mitleidig und menschlich, so stündet ihr uns in unserm Elend bei, und wir würden euch nicht bestehlen. Sagt selbst: ist es wohl billig, daß alles Glück in der Welt nur für euch da ist und daß alles Unglück uns niederdrückt?“
Die preußische Gesetzgebung hat den rechten Mittelweg zwischen der Nachsicht der Ägypter und der Strenge der Franzosen gefunden. Sie bestraft einfachen Diebstahl nicht mit dem Tode und begnügt sich, den Schuldigen für einige Zeit ins Gefängnis zu setzen. Vielleicht aber wäre es noch besser, das jüdische Vergeltungsrecht1 wieder ein-
1 Das römische Jus talionis.