„<92> daß ein Unwissender meines Schlages, wenn Sie seine Schüchternheit ermutigen, Ihnen eine Art von Kursus der Rechtslehre vorschlägt, den Sie abhalten könnten. Sie würden damit beginnen, die Notwendigkeit der Gesetze zu beweisen, weil keine Gesellschaft ohne sie bestehen kann. Sie würden zeigen, daß es bürgerliche Gesetze, Strafgesetze und andre, die auf Übereinkunft1 beruhen, gibt. Die ersten sollen das Eigentum schützen, sowohl Erbschaften, Mitgiften, das Erbteil der Witwen, wie das Handels- und Verkehrsrecht. Sie geben an, nach welchen Grundsätzen bei Grenzstreitigkeiten zu verfahren und überhaupt strittige Rechte zu entscheiden sind. Die Strafgesetze hingegen sollen das Verbrechen mehr zu Boden schlagen, als bestrafen. Die Strafen müssen dem Vergehen angemessen sein, und die milderen sind den strengeren allemal vorzuziehen2. Die Übereinkunftsgesetze endlich werden.von den Regierungen geschaffen, um Handel und Industrie zu begünstigen. Die beiden ersten Gesetzesarten sind stetiger Natur, die letzteren hingegen dem Wechsel unterworfen, mögen nun äußere oder innere Ursachen zur Abschaffung oder zur Einführung dieser oder jener Bestimmungen nötigen.“ Ist diese Einleitung mit aller nötigen Klarheit erfolgt, so wird der Herr Professor, ohne Pufendorf3 oder Grotius4 zu Rate zu ziehen, gütigst die Gesetze des Landes erläutern, in dem er lebt. Er wird sich vor allem hüten, seinen Schülern den Geist der Streitsucht einzuimpfen. Statt Verwirrer wird er Entwirrer aus ihnen machen und sich sorgfältig bemühen, Richtigkeit, Klarheit und Genauigkeit in seine Vorlesungen zu bringen. Um seine Schüler von Jugend auf zu dieser Methode zu erziehen, wird er insbesondere nicht versäumen, ihnen Verachtung für sophistische Rechthaberei einzuflößen, die offenbar eine unerschöpfliche Fundgrube für Spitzfindigkeiten und Rechtsverdrehung ist.
Ich wende mich nun an den Herrn Geschichtsprofessor. Ihm schlage ich als Muster den weisen und berühmten Thomasius5 vor. Unser Professor wird Ruf gewinnen, wenn er diesem großen Manne nahekommt, und Ruhm, wenn er ihm gleicht. Er wird seinen Kursus chronologisch mit der alten Geschichte beginnen und mit der neueren enden. Er wird in der Abfolge der Jahrhunderte kein Volk auslassen, weder die Chinesen noch die Russen, weder die Polen noch den Norden, wie es Bossuet in seinem sonst sehr schätzenswerten Werke getan hat. Unser Professor wird sich namentlich der Geschichte Deutschlands widmen, da sie für die Deutschen am fesselndsten ist. Er wird sich indes hüten, sich zu sehr in die Dunkelheit der ältesten Zeiten zu vertiefen, über die uns die Urkunden fehlen und deren Kenntnis im übrigen sehr unnütz ist. Er wird ohne längeres Verweilen das neunte bis zwölfte Jahrhundert durchgehen. Erst beim dreizehnten Jahrhundert, wo die Geschichte mehr Interesse verdient,
1 Staatsverträge.
2 Vgl. S. 22 ff.
3 Freiherr Samuel von Pufendorf (1632—1694), Begründer des Naturrechts, Verfasser des Werkes „De jure naturae et gentium“.
4 Hugo Grotius (1583—1645), Verfasser des grundlegenden Wertes über das Völkerrecht „De jure belli et pacis“.
5 Christian Thomasius (1655—1728), Rechtslehrer, Professor an der Universität Halle. Der König stellt Thomasius lediglich wegen seiner Vortragsweise als Muster hin.