<VII> und Wieland. Goethes „Götz von Berlichingen“ wird kurz abgetan, während einem kleinen Geiste wie Ayrenhoff übertriebenes Lob gespendet wird1. So berechtigt diese Vorwürfe auch sind, sie treffen nicht den Kern der Sache, ja sie berühren nicht einmal die Bedeutung dieser Schrift; denn nicht auf diese Einzelheiten kam es dem Könige an. Lehnte er doch auch die Verbesserung einzelner Irrtümer ab, auf die ihn Hertzberg während des Druckes aufmerksam machte.

Das Ziel, das Friedrich sich steckte, war weit höher. An nichts Geringeres dachte er, als seinem Staat den Weg zur höchsten Geistesblüte zu weisen. Dabei hatte er ebenso die Wissenschaft, wie Literatur und Dichtung im Auge.

Nur aus der Grundanschauung, die den König beseelte, ist diese Schrift zu verstehen. Für ihn gibt es nur „eine große Kultur“. Er huldigt, um mit Dilthey zu reden, „dem Begriff der Kontinuität und Übertragung geistiger Bildung, der die Zeit erfüllt“. Und weiter führt Dilthey aus: „Nicht die abstrakte Wissenschaft allein, auch die schöne Literatur ist ein Höchstes, dessen Werte und Normen gleichsam über den Völkern, in einer Region des rein Menschlichen und Universalen wohnen. Das goldene Zeitalter des Perikles, des Augusius, des Lorenzo de Medici und Ludwigs XIV., durch so weite Zwischenräume sie getrennt sind, bilden eine Einheit. Sie entstehen in der Übertragung desselben guten und regelmäßigen Geschmackes von einer Nation auf die andere, sie sind durch dieselben allgemeinen menschlichen Normen der echten Kunst verbunden. Die Formen der Dichtungsarten sind durch feste Gesetze zeitlos bestimmt, sie bilden ein unveränderliches natürliches System.“ Als die Glieder einer Kette erscheinen dem König die großen Epochen der Geistesgeschichte; indem er die einzelnen Nationen an seinen Augen vorüberziehen läßt, gewahrt er, wie sie einander ablösen. Und da die schönen Tage der Italiener, Franzosen und Engländer „merklich abnehmen“, da diese Völker „auf ihren Lorbeeren einschlafen“2, sieht er die Stunde nahen, da Deutschland ihr Erbe antritt.

Ganz systematisch geht Friedrich vor, wenn er „den Weg aller Völker, die zur Kultur gelangt sind“,3 nun auch seinem Volke weist, wenn er die Regelung der Schriftsprache verlangt, in der er die notwendige Vorbedingung für die kommende Blüte des geistigen Lebens der Deutschen erblickt, wenn er den Kreis der Kenntnisse durch Unterricht im modernen Geiste in Schule und Universität erweitert wissen will.

Dabei sind diese Forderungen nicht einmal neu. Aus den im „Anhang“ mitgeteilten Briefstellen ersehen wir, daß er die Mängel der deutschen Sprache schon 1737 klar erkannt hat4. Als junger König legte er Hand ans Werk, indem er bei der Neubegründung der Akademie der Wissenschaften die Klasse der schönen Literatur schuf5. Die französischen Schriftsteller, die er in sie berief, sollten als Vorbild wirken; denn eben die Regelung, wie sie die französische Sprache in der Académie française erfahren hatte, erschien ihm vorbildlich für die sprachliche Entwicklung seines Landes.


1 Vgl. S. 76 f. und 88.

2 Vgl. S. 79.

3 Vgl. S. 95.

4 Vgl. S. 305.

5 Die Akademie erhielt daher auch den Namen „Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres“.