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22. An die Gräfin Camas1

Nein, niemals wag' ich, würdige Camas,
Mit Ihrem Geist, dem glänzend inhaltreichen,
Die geistesarmen Reize zu vergleichen,
Die ich an unsren leeren Gänschen sah.
Das bißchen Schönheit oder frische Jugend
Ist ihnen Stellvertreter aller Tugend.
Gleich Blumen sind sie, deren bunte Pracht
Kaum eine einz'ge Sommerspanne dauert;
Wenn sie ein Hauch der Glutzeit überschauert,
Verwelkt die Schönheit, die uns ftoh gemacht.
Und wenn ihr Farbenglanz uns nimmer lacht,
Wird's keinem mehr belieben, sich zu bücken,
Um sie zu tränken oder sie zu pflücken.


1 Gräfin Sophie Karoline Camas, geb. von Brandt, Witwe des Obersten von Camas und seit 1742 Oberhofmeisierin der Königin Elisabeth Christine, die mütterliche Freundin des Königs. Sie starb 1766 im Alter von 80 Jahren.