<208>

Dritter Gesang
Dargets Entführung1

Es gibt ja nichts als Glück und Malheur!
In dieses verworfnen Jahrhunderts Tagen,
Mit Blindheit geschlagen,
Strolcht die Göttin Fortuna umher,
Um den Nichtsnutz und den Lumpen zu krönen.
Die Tugend, die in vollen Tönen
Ein jeder predigt, jeder preist,
Sie bleibt im Banne der Armut zumeist,
Verkauft und verraten dem Ungefähr,
Muß in Ketten geschlagen
Schimpf und Schande ertragen.
Und ob man ein Held gleich wie Cäsar wär',
Pompejus, Scipio oder die anderen Großen —
Hat das Geschick deinen Fall mal beschlossen,
Eine Zeitlang magst du brav um dich schlagen,
Endlich kriegt es dich doch beim Kragen.

Leichtherziger Leser, du glaubst mir's nicht?
So höre meine traurige Geschicht,
Vernimm den Jammer und das Weh,
Die widerfuhren dem armen Darget.
Nie kann ich den traurigen Fall vergessen,
Noch heute will er mir Tränen erpressen!

So hört! Auf österreichischer Seiten,
Wo alle Pläne ins Wasser gefallen,
Gab's unter vielem Erörtern und Streiten


1 Für den historischen Vorgang der Entführung Dargets in der Nacht vom 3. zum 4. September 1745 vgl. die Darstellung des Königs in der „Geschichte meiner Zeit“ (Bd. II, E. 231).