<59>Ein schlammgetrübtes; und nun klagt er drum
Die Götter an! Ei, kennt er ihr Warum?
Das dürre Moor, das seine Herden weidet,
Dankt seinen Blütenteppich, der es kleidet,
Dem Bach, dem nützlichen; auf Schlängelwegen
Zieht einem Strom er dann entgegen,
Durch dessen Mündung sein flutendes Leben
Dem Meere zu geben.

So unfrei ist der menschliche Gedanke,
So schief, so schielend ist des Menschen Blick:
Was er erkennt, das ist sein Mißgeschick;
Doch ob nicht jenseits seiner Daseinsschranke
Der größren Welt sein Leid zugut gekommen,
Das hat sein enger Sinn nie wahrgenommen!
Verschwindend Stäublein! Würmlein du,
Was klagst du über Unrecht immerzu?
Was schuldet die Natur dir? Hat sie, sprich,
Versprochen dir, den Gang der Welt zu stören
Nur dir zuliebe, lediglich, um dich
Mit allen Mühn und Sorgen, allem Schweren
Hübsch zu verschonen? Laß dich nicht betören
Von deiner Hoffart, die dich elend macht!
Erstick' den Stolz, und denk, o Menschenkind,
Ans Märlein von der Milbe und dem Rind.1
Was zählt im Riesenhaushalt, gotterdacht,
Im Haushalt einer Welt,
Ein Menschlein wohl? Kaum, daß ein Staat da zählt!
Ein Reich — was ist ein Reich? Ein Nichts, das kaum
Noch wahrnehmbar im ungeheuren Raum,
Im schattentiefen, wo die unzählbaren
Weltkörper sich um ihre Sonnen scharen,
Welten von höherer Art als unsre hier,
Zum mindesten doch ebenbürtig ihr!

Prüft die Geschichte aller großen Reiche —
Stets ist's das gleiche:


1 Anmerkung des Königs: „Die Milbe und das Rind von Lafontaine.“ Eine solche Fabel gibt es nicht von diesem Dichter; vielleicht ist die Fabel „Die Mücke und der Ochs“ von Phädrus gemeint (vgl. Bd. V, S. 211).