<62>Und faltet dumpf die Hände in dem Schoß.
In Frankreich, der Bretagne, den deutschen Gauen,
So weit sie sind, in Preußen und dem Norden,
Im kalten Skythenland ist man mit Grauen
Des gleichen schweren Unheils inne worden;
Und doch! Des Todes Wüten ist vergebens:
Noch sind ja hier und da so manche Herden
Verschont geblieben, die voll jungen Lebens
Bald den Verlust ersetzen werden.
Doch diese Heimsuchung und Plage
Sie mahnt mich an die Schreckenstage,
Da unser preußisch Heimatland
Einst unter der Geißel der Seuche1 stand.
Ach, wie der Heimat Jammer doch
Ins Herz mir schneidet heute noch!
Der Würger, keinen nahm er aus,
Hoch und gering das Elend einte;
Das ganze Land ein Trauerhaus,
Das nur um seine Kinder weinte!
Jäh fiel der Pesthauch die Menschen an,
Wen die Ansteckung faßte, um den war's getan;
Gluthitze befiel ihre Glieder urplötzlich,
Und Atemnot, und ein Durst ganz entsetzlich;
Sie tranken und tranken! Aber ehr
Tranken sie all unsre Flüsse leer,
Eh' diesen Höllendurst sie gestillt.
Das war wie eines Schmelzofens Glut,
Darein man vergeblich Wasser tut:
Nur neue Bluten brannten wild
Im Eingeweide der Gequälten.
Ach, ihre Wangen fahl und weiß,
Der Glanz der Augen fieberheiß
Genug von ihrer Todespein erzählten.
Wie ausgedörrt die Kehle und der Schlund,
Die Zunge wie ein Knebel lag im Mund;
Zitternde Arme streckte mancher da
1 Die Pest, die 1710 Ostpreußen und Litauen heimsuchte. Vgl. Bd. I, S. 114. 118.130 und 137.