<9>Mit dem Neidzahn anzufallen,1
Ihn, den gütigen, den milden —
Nein, die Mühe wär' verloren,
Dich, du reißend Tigertier,
Lechzend nur von Mordbegier,
Umzubilden;
Eh' ich das wollt' unternehmen,
Eher war' im Sonnenbrande
Afrikas ein Mohr imstande,
Dort die wilden,
Freien Bestien zu zähmen!
Sei du ein Virgil, ein Meister
Auf dem Doppelgipfel droben,
Sei ein Fürst im Reich der Geister —
Dieses Keifen, dieses Toben
Wie ein Zoilus, ein dreister,
Bannt dich von dem Helikon!
Was hilft all dein Sonnenstreben
Gleich dem Aar, der sich erheben
Möchte zu des Lichtgotts Thron?
Senke nur die stolzen Schwingen!
Keiner glaubt
An dein edles Aufwärtsringen —
Bist kein Adler überhaupt,
Nur ein Geier, der da raubt,
Der nur Beute will verschlingen!
Nein, wer, selber angesteckt
Von dem Gifte, solche Ehren
Der Verleumdung will gewähren,
Wisse, daß sein Lied die Kunst
Nur entwürdigt und besteckt!
Du mißbrauchst der Muse Gunst!
1 Anspielung auf die „Odes philippiques“, die Schmähschrift von la Orange gegen den Regenten Herzog Philipp von Orleans. Aber auch Voltaire, der, obwohl fälschlich, als ihr Verfasser bezeichnet wurde, hatte ein Spottgedicht auf den Regenten geschrieben, das ihm seine erste Haft in der Bastille eintrug (vgl. Bd. VII, S. 32 und VIII, S. 234). Jedenfalls richtet sich diese Strophe, gleichwie die folgenden, auch gegen Voltaire, der der Veröffentlichung der „Œuvres du philosophe de Sanssouci“ (vgl. Einleitung) nicht ganz fernstand.