<98>Sind nicht nur eitler Schmuck; was er bezweckt,
Ist, daß das Ganze fest zusammenhält.
— 's ist auch die Regel des Gesellschaftsbaus!
Zu seinem Halt trägt jeder Bürger bei:
Verschönern reicht nicht hin, ich sag' es frei:
Der Schmuck verziert, die Güte trägt das Haus.

Weltseele du, allmächtige Natur,
Laß dein Geheimnis kühn mich offenbaren!
Du fügst, magst du verschwenden oder sparen,
Zweckvoll ein jedes Ding zum Brauche nur!...

Wie lieb' ich jenes weisen Mannes1 Rede,
Als Rom zerklüftet ward von Bürgerfehde!
Zum Heil'gen Berge war das Volk gezogen,
Er glättete beredt des Aufruhrs Wogen.
„Der Staat, Ihr Freunde, ist der Leib“ — so sprach
Der Kluge; „alle Bürger sind die Glieder.
„Erlahmt nur eins, gleich wird das Ganze schwach;
„Gesundheit liegt und Lebenskraft danieder.
„Wenn's nur zu reden unserm Mund behagte
„Und er dem Leibe Speis' und Trank versagte,
„So wär' der Körper, ohne Saft und Kraft,
„Geschwind vom Hungertode hingerafft.
„Ihr Widerspenst'gen, Glieder unsres Staats,
„Seid Bürger! Ehrt den Willen des Senats!“
Wie hoch sich einer auch im Lande schwingt,
Er bleibt vom Ganzen immer doch ein Glied.
Wenn Ihr den Nächsten keine Hilfe bringt,
Der Staat in Euch gelähmte Glieder sieht.
Doch meiden wir den Spott und sein wir mild;
Richten ist leicht; die Kunst ist, zu bekehren.
Mit Freundesrat, nicht wie ein Pfaff, der schilt,
Laßt uns den rechten Brauch der Größe lehren,
Wie man den Dünkel, Rache, Haß verschmäht,
Allein durch seine Güte Macht verrät.


1 Anmerkung des Königs: „Menenius Agrippa“ (vgl. Bd. VII, S. 83).