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Einleitung des Herausgebers

Der vorliegende und der folgende, der Schlußband unserer Ausgabe, enthalten eine Auslese aus den Dichtungen Friedrichs.

Ihre Zahl ist groß; denn schon frühzeitig begann seine poetische Laufbahn.1 Bereits mit zehn Jahren schrieb er, wie er seinem Vorleser später erzählte, einen Roman, mit sechzehn Jahren machte er die ersten Verse. Seine umfangreiche dichterische Tätigkeit setzte mit der Küstriner Epoche ein. Zwei Ereignisse gaben den Anstoß dazu: die Verlobung seiner Schwester Wilhelmine mit dem ungeliebten Erbprinzen von Bayreuth und seine tiefe Neigung zu Frau von Wreech, der lieblichen Schloßherrin von Tamsel.

In jene ersten Zeiten, da eben Friedrichs dichterischer Trieb erwachte, versetzt uns lebendig das Geständnis aus seinem Munde: „Er wäre ein großer Poet geworden, er könnte in zwei Stunden hundert Verse machen.“ Es war ein unbekümmertes, frisch-fröhliches Schaffen, in dem sich der junge Dichter gefiel. Zwar klagt er wohl auch über die Not, die sein neuer Beruf ihm bereite, aber man kann nicht sagen, daß er sich dadurch hätte abschrecken lassen. Ein kleines Blättchen, das den Lauf der Zeiten überdauert hat, verstattet einen tiefen Blick in seine Werkstatt. Es handelt sich um einen Entwurf für Verse, die an Voltaire gerichtet sind. Mühselig ist das Werk. Verse werden hingeschrieben und wieder gestrichen, bis endlich nach schwerer Arbeit die letzte Form gefunden ist. Dazu ist das Blatt mit Schnörkeln und gestrichelten Feldern bedeckt, die die Hand des grübelnden Poeten halb mechanisch zog, und zwischendurch sind in langen Kolumnen Reimpaare verzeichnet, auf denen die Verse zum Teil auch aufgebaut sind. Man sieht seine Methode: nicht daß er die Reimworte „mit ahnungsvoller Sicherheit im Momente heraufbeschwor“, sondern er suchte und schrieb sie auf, um „völlig nüchtern und nach Bedürfnis“ wählen zu können. Nicht die Stärke des Gefühls war es also, die nach Ausdruck ringt, sondern ihn beherrscht die Reflexion, die mit kühler und bewußter Überlegung gestaltet.

Nachdem ihm schon Freund Jordan als künstlerischer Beirat zur Seite gestanden hatte, wählte sich Friedrich dann in Voltaire seinen Lehrer für die hohe Kunst der Poeterei. Im Jahre 1737 fordert er in drolliger Alternative von diesem entweder ein Geheimmittel, das ihn von seiner Versewut befreien sollte, oder Unterricht in den Regeln dieser „bezaubernden Kunst“. Mit diesem Augenblick beginnt der Lehrkursus


1 Vgl. Volz, „Friedrich der Große am Schreibtisch“ und „Aus den Poesien Friedrichs des Großen“ (hohenzollern-Jahrbuch 1909 und 1912).