<258> schlechteste. Im Vaterhause schadet die blinde Elternliebe der notwendigen Zucht der Kinder. Besonders die Mütter, die, beiläufig gesagt, ihre Ehemänner ziemlich despotisch regieren, kennen kein andres Erziehungsprinzip als grenzenlose Nachsicht. Die Kinder werden den Händen der Dienstboten überlassen, die ihnen schmeicheln und sie verderben, indem sie ihnen schädliche Grundsätze beibringen, Grundsätze, die in den eindrucksfähigen Jugendjahren nur zu rasch Wurzel schlagen. Der Erzieher, den man ihnen gibt, ist zumeist ein Kandidat der Theologie oder ein angehender Jurist, ein Menschenschlag, der selbst dringend der Erziehung bedürfte.1 Bei diesen geschickten Lehrern lernt der junge Telemach seinen Katechismus, Latein, mit Mühe und Not etwas Geographie, Französisch durch den Gebrauch. Die Eltern spenden dem Meisterstück, das sie in die Welt gesetzt haben, Beifall, und da sie fürchten, Verdruß möchte der Gesundheit des neuen Phönix schaden, wagt niemand ihn zu tadeln.

Mit zehn bis zwölf Jahren schickt man den jungen Herrn auf eine Ritterakademle, woran es auch hier nicht fehlt. Es gibt mehrere, wie das Ioachimstalsche Gymnasium, die neue Adelsakademie in Berlin2, die Domschule zu Brandenburg und die von Kloster Bergen bei Magdeburg. Sie sind mit tüchtigen Lehrern versehen. Der einzige Vorwurf, den man ihnen vielleicht machen kann, ist der, daß sie nur darauf ausgehen, das Gedächtnis ihrer Schüler anzufüllen, statt sie an selbständiges Denken zu gewöhnen, daß sie ihr Urteil nicht früh genug bilden und es verabsäumen, ihrer Seele höheren Schwung zu geben und ihnen edle und tugendhafte Gesinnungen einzusflößen.

Kaum hat der Jüngling den Fuß über die Schwelle der Schule gesetzt, so vergißt er alles, was er gelernt hat, weil er lediglich den Vorsatz hatte, dem Lehrer seine Lektion auswendig herzusagen. Sobald er das nicht mehr nötig hat, verwischen neue Vorstellungen und Vergeßlichkeit jede Spur des Gelernten. Die auf der Schule verlorene Zeit schreibe ich mehr der fehlerhaften Erziehung als dem Leichtsinn der Jugend zu. Warum macht man dem Schüler nicht klar, daß der Zwang, etwas zu lernen, ihm einst zum größten Vorteil gereichen wird? Warum bildet man nicht sein Urteil, — nicht indem man ihm einfach Logik einpaukt, sondern indem man ihn selbst schlußfolgern lehrt? Das wäre ein Mittel, ihm begreiflich zu machen, daß es für ihn nützlich ist, das eben Gelernte nicht zu vergessen.

Nach dem Abgang von der Akademie schicken die Väter ihre Söhne entweder auf die Universität, oder sie lassen sie ins Heer eintreten, verschaffen ihnen Zivilämter oder berufen sie auf ihre Güter zurück.

Die Universitäten zu Halle oder Frankfurt an der Oder sind es, an denen sie ihre Studien vervollkommnen.3 Die Lehrstühle sind mit so guten Professoren besetzt, als die Zeit sie hervorbringt. Indes bemerkt man mit Bedauern, daß das Studium des


1 Vgl. Bd. II, S. 47.

2 Vgl. S. 251 ff.

3 Für die Kritik des Unterrichts und Lebens auf den Universitäten vgl. S. 88 ff. und das Lustspiel „Die Schule der Welt“ (Bd. IX).