7598. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.

Potsdam, 22. Juni 1756.

Auf Sr. Königl. Majestät Mir ertheilten Specialbefehl habe ich an des Wirklichen Geheimen Etats- und Cabinetsministers Herrn Grafen von Finckenstein Excellenz, wiewohl unter dem grössesten Secret, als welches des Königs Majestät dieserwegen zum höchsten recommandiren lassen, hierdurch melden sollen, dass, da bei denen jetzigen höchst misslichen Conjoncturen es gar leicht geschehen könne, dass es in Preussen zu einem Friedensbruch käme, und Dieselbe allda von Russland angegriffen würden,443-3 Sie im Begriff seind, den dort commandirenden Generalfeldmarschall von Lehwaldt mit umständlichen Instructionen zu versehen, um sich auf alle nur vorkommende Fälle darnach richten zu können, sonder nöthig zu haben, über jeden Vorfall besondere Rückfrage zu halten, welches sowohl die Umstände als die Entfernung der Orte nicht wohl zulassen würden.

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Da nun unter anderen Vorfällen des Königs Majestät denjenigen mit supponiren, dass, wenn es unglücklicher Weise dorten wirklich zum Kriege ausbräche und dasiges Corps d'arme'e einen glücklichen Sieg über die russischen Truppen erhielte, und deshalb gedachten Feldmarschall dahin instruiren [wollen], dass auf solchen Fall er sodann von der ersteren Consternation des Feindes profitiren und dem commandirenden General des Feindes zu verstehen geben solle, wie er beklage, dass die zu Peter des Grossen nnd dessen Successoren [Zeiten] obgewaltete gute Harmonie durch die Intriguen übel intentionirter Höfe insoweit gestöret worden, dass es zwischen beiden Reichen zu einem Kriege ausgeschlagen, die vor sich gar keine Démêlés mit einander gehabt hätten, er also glaube, dass woferne man denen schädlichen Insinuationen übelgesinneter Leute in Russland nicht weiter Gehör geben wollte, es gar leicht zu einem Friedensschluss und zu Herstellung der vormaligen guten Harmonie kommen könne, und er mithin erwähntem feindlichen General wohl so viel sagen könnte, dass er zu einem so heilsamen Werke mit allen Vollmachten versehen sei, um, wenn man dortiger Orten von gleicher Gesinnuug wäre, sogleich zum Werke schreiten zu können: — so wollen Se. Königl. Majestät gedachten Generalfeldmarschall auch sogleich jetzo mit dergleichen Vollmacht auf alle Fälle versehen und haben mir dannenhero befohlen, Ew. Excellenz zu schreiben, dass Dieselbe, jedoch mit Rechnung aller nur erdenklichen Praecautionen, wegen des dabei nöthigen impenetrablen Geheimnisses, dergleichen Vollmacht vor den Generalfeldmarschall in der besten Form, jedoch mit Offenlassung des Dati, ohnverzüglich ausfertigen und durch jemanden, als den Herrn Geheimen Rath Warendorff, auf dessen Beobachtung eines ganz ohnverbrüchlichen Secrets man völlig versichert sein könne, in das Reine setzen, auch, daferne es sonsten der Gebrauch, das grosse Siegel beidrucken lassen und selbige dergestalt zu Sr. Königl. Majestät Unterschrift, wo es nur immer möglich, morgen früh, besonders und wohl verwahret einsenden möchten, indem Höchstdieselbe die Absendung derer Instructionen vor mehrgedachten Generalfeldmarschall, so mit einem Expressen geschehen wird, zum äussersten pressiren und gedachte Vollmacht mit beifügen wollen.

Hierbei haben des Königs Majestät mir befohlen, Ew. Excellenz annoch zu melden, wie dass, wenn vorgedachter Cas jemalen existiren sollte, Sie von dem Generalfeldmarschall nicht fordern könnten, dass er solchenfalls von allen zu einem Friedensinstrument erforderlichen Ceremonialien und Curialien informiret, noch dergleichen so entwerfen könne, dass nicht etwa in Zukunft darüber Chicanes entstehen oder ein anderes Versehen geschehen möchte, also Ew. Excellenz auf jemanden aus der Cabinetskanzlei denken und solchen Sr. Königl. Majestät benennen möchten, der darunter genugsam routiniret und dazu gebrauchet werden könne, um, nachdem sich die Conjuncturen anlassen würden, in Zeiten nach Königsberg geschicket zu werden, nöthigenfalls bei der<445> Hand zu sein und gedachtem Generalfeldmarschall in vorerwähnten Stücken zu assistiren.

Welches alles, so wie es mir aufgegeben worden, an Ew. Excellenz gehorsamst hiermit ausrichte.

Eichel.

P. S. 1.

Zu mehrerer Erläuterung muss noch melden, wie nach Sr. Königl. Majestät Intention diese Vollmacht so eingerichtet werden soll, dass der Generalfeldmarschall einen Frieden schliessen könne, ohne einige Rückfrage deshalb bei Sr. Königl. Majestät, sowohl wegen der Sache selbst als wegen der Conditionen, obschon mit Vorbehalt Dero hiernächst erfolgenden Ratification.

P. S. 2.

Potsdam, 22. Juni 1756, um 5 Uhr Abends.

Des Königs Majestät haben mir sogleich befohlen, Ew. Excellenz vermittelst Absendung eines Expressen zu melden, wie Höchstdieselbe sehr verlangeten, morgen den englischen Minister M. Mitchell allhier in Potsdam zu sprechen, und also Ew. Excellenz denselben noch heute desfalls sprechen und selbigem solches zu erkennen geben möchten, damit er morgen Vormittages noch etwas früh hier eintreffe.445-1

Ich ermangele also nicht, das mir befohlene hierdurch schuldigst auszurichten, und empfehle mich übrigens zu Ew. Excellenz gnädigem Wohlwollen.

Nach der Ausfertigung.



443-3 Am 22. Juni war der Bericht Maltzahn's vom 18. Juni eingelaufen. Vergl. Nr. 7608.

445-1 Den Anlass zu der schleunigen Berufung Mitchell's nach Potsdam gab der Empfang des Maltzahn'schen Berichtes vom 18. Juni. Vergl. Nr. 7608