II.

<440><441><442>

Da alle Nachrichten besagen,439-4 dass ganz ohnfehlbar eine französische Armée kommen und Sr. Königl. Majestät eine Diversion zu machen suchen werde, Se. Königl. Majestät aber noch zur Zeit ihr

Frankenstein, 30. März 1757.

wahres Dessein nicht wissen, so sehen sich Allerhöchstdieselben [genöthiget], Ihr Augenmerk auf drei differente Passagen zu richten, als

1) über Hannover,

2) durch Hessen über Hirschfeld,

3) über Schweinfurt, Erfurt pp.

Bei diesen Umständen können Se. Königl. Majestät nichts ungewisses hasardiren, auch von denen Truppen, so in Sachsen stehen, incl. der Lausnitz, so zu sagen, keinen Mann entbehren. Mithin fraget sich's:

1. Ob die Magasine zu Königgrätz und Pardubitz so stark angeleget seind, dass bei einem, Gott gebe! glücklichen Erfolg des projectirten Plans, es den Feind ganz und gar aus der dasigen Gegend bringen, uns aber auf die Feldmarschall Schwerin'sche Armée bis zur Fouragirungszeit Unterhalt verschaffen könnte.

Ad 1um. Ist bereits ex articulo primo der Beilage440-1 beantwortet. Betreffend das Königgrätzer Magasin, so kann darauf kein gründliches Dessein formiret werden, sondern es gehet solches lediglich dahin, wie man das Corps feindlicher Truppen, so zwischen der Elbe, Sachsen und Schlesien auf 30 Meilen in der Runde bequartieret und kantoniret ist, dergestalt zerstreue, dass es derer sämmtlichen Feinde Desseins derangiren müsse; wobei man sich wahrscheinlicher Weise promittiret, einen guten Theil derer feindlichen Dépôts und Magasins, so sie in diesen Gegenden zusammengebracht haben, zu bemächtigen pp.

2. Wie diesen Königgrätzer und Pardubitzer Magasins am füglichsten beizukommen, und wie das

Ad 2um. Cessat, weil das mehreste schon in dem vorhergehenden Punkte gesaget worden.

Retranchement bei Königgrätz beschaffen sei, und wie viele Truppen darinnen zur Besatzung sein möchten.

3. Wie viel Truppen überhaupt der Feind in dasiger Gegend habe, und wer selbige commandire.

Ad 3um. Würde es Mühe machen, hierauf mit Grunde zu antworten, indem es der Feind noch selber nicht determiniret habe und alle Augenblick verändert würde.

4. Auf was Art wir uns in Böhmen souteniren könnten, und wie bei einem fehlschlagenden Succès des projectirten Desseins ohne sonderlichen Verlust zurückzukommen sei; damit NB. die Truppen nicht gleich bei Anfange der Campagne decouragiret würden und besonders unsere gute Renommée nicht darunter leide.

Ad 4um. Habe dieses mit Gottes Hülfe nichts zu sagen. Man käme dem Feinde mitten unter seine Quartiere, und ehe er sich zu was solides entschliessen oder sogar Verhaltungsbefehle einziehen könnte, müsste der Coup gemacht sein. Sollte uns aber dennoch die Vorsicht entgegen sein, so würde man sich durch böhmischen Vorspann, so noch allemal zu schaffen sei, genugsam in der Retraite helfen können.

5. Wie der Herzog von Bevern, im Fall der Feind ihm gar zu stark auf den Hals kommen sollte, am besten und leichtesten zu secundiren sei; und endlich, wann

Ad 5um. Wann der Feldmarschall dem Feinde laut vorhergehender Disposition in die Quartiere fällt, so sei er mitten unter ihm und dergestalt dem feindlichen Corps, so gegen der Lausnitz stehet, im Rücken, dass er absolute gezwungen sei, mit Bockssprüngen sich über der Elbe zu retiriren, wovon man aber doch einen guten Theil zu erhaschen verhoffte.

6. Gar zu viele feindliche Völker dem Könige zu nahe kommen möchten, auf was Art alsdann diese Schwerin'sche Armée dem Könige nach befindenden Umständen zum Theil oder auch ganz zu Hülfe kommen könnte.

Ad 6um. Wann Se. Königl. Majestät dem bereits unter dem 24. c.441-1 eingesandten Project gemäss auch die Gnade hätten, zu agiren, so würde die Communication dergestalt erleichtert, dass man überall und besonders über Tetschen, und überhaupt wor man wollte, Brücken schlagen könnte. Nu sei es zwar an dem, dass sich

 

bei allen Operationen Difficultäten ereigneten, so man aber verachten und durch gute Disposition und vigoureuser Execution übersteigen müsse. Es sei überhaupt dieses, so zu sagen, das einzige Mittel, wodurch man sich die grosse Menge derer Feinde vom Halse schaffen und die Oesterreicher schwächen müsste, ehr die Franzosen so nahe kommen könnten. Das gemeine Sprichwort sei: Audaces Fortuna juvat.

NB. Zu diesem Plan habe den Feldmarschall die Geschichte alter Zeiten gebracht: was Turenne bei Mergendahl442-1 und unserem Grossen Friedrich Wilhelm vor das Wohl des österreichischen Interesses im Elsass arrivirte ;442-2 daher er solches gar zu gerne an Oesterreich vengiren möchte.

C. de Schwerin. H. C. v. Winterfeldt.



439-4 Die linke Spalte enthält die Einwendungen und Anfragen des Königs, die rechte die Antworten der Generale.

440-1 Es findet sich im Nachlass des Feldmarschalls Schwerin ein „Promemoria“ , dem allerdings das Datum „20 Martii 1757“ beigesetzt ist, das aber seinem Inhalte nach weit eher zum 30. März gehört. Der erste Artikel dieses „Promemoria“ entspricht dem, was oben von dem articulo primo der „Beilage“ ausgesagt wird; danach wäre die Annahme nicht ausgeschlossen, dass das Promemoria die oben erwähnte Beilage gebildet hat. Der erste Artikel des „Promemoria“ lautet: „Bei einer Expedition in Böhmen muss das Proviant- und Fouragefuhrwesen dergestallt arrangirt sein, dass Brod und Hartfutter auf acht à zehn Tage mitgenommen werden könne, damit in solcher Zeit den Truppen nichts abgehe.“

441-1 Vergl. Nr. 8778.

442-1 Gleich: Mergentheim.

442-2 Im Winter 1674 75. Vergl. Droysen, Preuss. Politik, III, 3. S. 499—505.