9490. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Merseburg, 5. November 1757, Abends, um 9 Uhr.

Bei dem Schlüsse meines heutigen Schreibens an Ew. Excellenz8-2 habe gemeldet, wie man hier soeben ein heftiges Canonfeuer gehöret und daraus eine Action urtheilen müsse. Solches hat sich auch nachher verificiret, und ist es noch heute Nachmittages gegen 3 Uhr zwischen Sr. Königl. Majestät und der französischen und Reichsarmee zu einer formellen Bataille gekommen, da dann, Gott sei gelobet! des Königs Majestät eine ganz complete Victoire in Zeit von ohngefähr 3 Stunden ohne sonderlichen Verlust erhalten haben.

So viel ich aus denen mir gesagten Umständen begreifen können, hat die französische combinirte Armee, so über 40,000 Mann in ihrem retranchirten Lager stark gewesen, gestern aber noch von dem Duc de Richelieu einen Renfort von 20 Bataillons und etlichen Regimentern Cavallerie erhalten haben soll, wie solches die von solchem Corps gekommenen Deserteurs confirmiret haben, schon heute Vormittag allerhand Marches und Contremarches, um ihr Dessein zu masquiren, gemachet, so dass es zuweilen geschienen, als ob sie sich nach Freiburg<9> ziehen wollen, da sie dann alle ihre meiste Cavallerie nach dem rechten Flügel gezogen; bis endlich Mittages man gesehen, dass sie attaquiren und sich zwischen hier und des Königs Corps ziehen wollen. Der Generalmajor Seydlitz hat also mit der leichten Cavallerie, als Dragoner und Husaren, ihr entgegengehen und das erste Treffen ihrer Cavallerie sogleich attaquiren müssen, welchem denn gleich darauf die schwere Cavallerie gefolget und ihn souteniret hat, da dann die Attaques so wohl reussiret haben, dass das erste und zweite Treffen und endlich auch die Reserve der feindlichen Cavallerie renversiret und verjaget, dabei auch sehr maltraitiret worden. Als die Infanterie darauf dazugekommen, ist die Action allgemein geworden, da denn die feindliche Infanterie das Feuer der unsrigen nicht lange aushalten können, auch von dieser so pressiret und poussiret worden ist, dass sie sich gar nicht recolligiren können, und es also auf Seiten des Feindes zur völligen Retraite gekommen ist, der sich nach der Gegend von Freiburg und gegen Naumburg gezogen. Unsere Cavallerie soll ungemein brav und wohl gethan und sich diesesmal9-1 sämmtlich distinguiret, die Infanterie aber mit der grossesten Confiance Merveille gethan haben.

Der Verlust von der Infanterie soll sehr geringe, der von der Cavallerie etwas mehr sein, weil sie zu Anfang bei dem Attaquiren das feindliche Canonenfeuer mit aushalten müssen; doch soll der Verlust überhaupt nicht considerabel sein. Dahergegen der vom Feinde an Todten, Blessirten und Gefangenen sehr stark und gar considerabel sein soll, und er seine mehriste Artillerie und bei sich gehabte Bagage, da er seine schwere Bagage [mit sich geführet], auf dem Wahlplatz hinterlassen haben. Ich bin noch nicht im Stande, davon etwas detaillirtes zu melden, weil noch zur Zeit von des Königs Majestät kein Courier oder dergleichen hier angelanget ist, und die Action, so erst um 3 oder gegen 4 Uhr Nachmittages angegangen, an 2 bis 3 Stunden gewähret, und der Abend und die Nacht also herangekommen ist, der Feind aber noch immer poussiret und verfolget worden. Die Attaque soll bei dem Dorfe Braunsdorf angegangen sein, die Armee des Königs aber endlich bei einem Dorfe, so mir Reichertswerben genannt worden, vorerst Halt gemachet haben, indess der Feind dennoch weiter poussiret wird.

Wie ich höre, soll kein Officier von Marque unsererseits geblieben seind. Des Prinz Heinrich Hoheit seind, gottlob aber sehr légèrement, durch einen Streifschuss oder vielmehr Contusion blessiret worden und ausser aller Gefahr. Der Generalmajor von Seydlitz soll einen Streifschuss in der Seite bekommen haben, der ihn aber nicht hors de combat gesetzet, Generalmajor Meinecke soll etwas gefährlich, Generalmajor Itzenplitz leicht blessiret sein, sonsten und ausser welchen ich bisher von niemanden gehöret habe. Major Schwerin vom Regiment Gensd'armes<10> hat 5 Blessuren bekommen, als 3 Stiche im linken Arm, einen im dicken Fleisch des Schenkel und einen, jedoch kleinen, Hieb hinterwärts der linken Backe, alle aber seind ausser Gefahr von Suiten.

Ich erwarte hier Sr. Königl. Majestät Befehl, wenn und wohin zu Deroselben gehen soll, und habe Ew. Excellenz dieses inzwischen nur vorläufig melden wollen, bis ich im Stande sein werde, solches näher und specifiquer melden zu können. Ich zweifele auch nicht, dass Ew. Excellenz geruhen werden, des Herrn Grafen von Podewils Excellenz von diesem glücklichen Évènement sogleich zu benachrichtigen.

Eichel.

Es ist noch heute Abend fast eine kleine Welt von blessirten gefangenen französischen Officiers hiehergebracht worden, die mehrentheils schlecht zugerichtet sein; die Reichstruppen sollen gleich anfängüch auf ihre Sicherheit gedacht und, so gut es sein mögen, retiriret haben.

Nach der Ausfertigung.



8-2 Nr. 9487.

9-1 Vergl. dagegen das Unheil über einen Theil der Cavallerie bei Kolin Bd. XV, 177. 193.