9623. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Breslau, 22. December 1757.

Bei Gelegenheit einer abgehenden Estafette habe Ew. Excellenz nur mit wenigem melden wollen, wie dass morgen wohl die von Sr. Königl. Majestät an Ew. und des Herrn Grafen von Podewils Excellenz unterschriebene Ordre abgehen dörfte, dass die königliche Familie sowie auch das Departement derer auswärtigen Affairen von Magdeburg nach Berlin abgehen könne.118-1 Von dem Tresor und übrigen haben des Königs Majestät noch nichts erwähnet, wo es aber die Gelegenheit ichtes wird leiden wollen, werde ich desfalls besonders anfragen, auch mir die Ehre vorbehalten, noch ein und anderes zugleich zu melden.

Es wird zugleich an Ew. Excellenz die Ordre erfolgen, anher nach Breslau zu Sr. Königl. Majestät zu kommen,118-2 sowie auch der Herr von Knyphausen hieher zu kommen beordert werden wird. Der Marquis d'Argens ist schon befehliget worden, hieher zu gehen.118-3

Morgen brechen die zur noch übrigen Expedition wegen Liegnitz, und um Schlesien völlig von den Oesterreichern zu säubern, beorderte Regimenter von hier auf, des Königs Majestät aber werden solchen allererst übermorgen folgen. Sowie Dieselbe mir die Gnade gethan zu sagen, werden Sie ohngefähr den 4. kommenden Monates Januarii wieder hier eintreffen, ich aber soll inzwischen hier bleiben und Dero Retour allhier abwarten; daher Ew. Excellenz Befehle sowie auch die von des Herrn Grafen von Podewils Excellenz allhier erwarten werde.

Unter ein und andern Commissionen, wovon des Königs Majestät mich hier chargiren mochten, haben Dieselbe mir bereits insonderheit aufgetragen, vor Deroselben indess alle diejenigen Relationes zu sammlen und Deroselben alsdenn vorzulegen, welche von Anfang des jetzigen Krieges und von Dero Einmarsch in Sachsen her bis jetzo zu von Deroselben wegen aller vorgefallenen Kriegsoperationen aufgesetzet und publiciret worden, weilen Höchstdieselben Dero Gebrauch davon machen118-4 und solchen vor Sich noch ein und anderes zusetzen wollten. Da ich, wie Ew. Excellenz bekannt, meine unter Händen gehabte Papiere insgesammt von Zeit zu Zeit nach Berlin und sonst an Ew. Excellenz remittiret habe, hier aber es fast schwer, wo nicht ohnmöglich fallen dörfte, alle diese Relationes, obschon mir alle Mühe deshalb geben werde, in der Suite, zumal in französischer Sprache, aufzutreiben, so nehme mir die Freiheit, Ew. Excellenz zu ersuchen, ohnvorgreiflich dem Herrn Geheimen Rath von Hertzberg oder sonsten jemanden nach Gefallen aufzutragen, alle diese Relationes, und zwar in französischer Sprache, auf Schreibpapier abgedrucket oder wie sonsten<119> solche bei dem Archive vorhanden sein, mit aller Attention, damit keine manquire, aufzusuchen und mir solche alsdenn vermittelst expresser Estafette anhero zu adressiren, dergestalt, dass ich selbige noch gegen den 4. des instehenden Januarii hier haben und des Königs Majestät präsentiren könne.

Sonsten continuiren hier die Sachen, gottlob, noch beständig einen sehr guten Train wegen des Feindes zu nehmen. Ich bin so viel gerühret als frappiret gewesen, da ich die währender Belagerung von Breslau darin gestandene österreichische Garnison ausziehen und defiliren gesehen, die weit stärker gewesen, als man solche jemalen glauben wollen. Ich muss auch bekennen, dass ich die österreichischen Regimenter sowohl an Officiers als Gemeinen weit besser als wohl ehemals und im vorigen Kriege gefunden, obschon denenselben noch vieles fehlet. Wobei erwähnen muss, dass [von] solche[n] noch viele Leute, so nicht mit en parade ausgezogen, in der Stadt unter allerhand Prätexten zurückgeblieben, die man nachher aufgefunden hat, so dass die vorläufig übersandte Liste davon noch um ein beträchtliches stärker werden wird. Es zog diese Garnison hier ehegestern früh mit Ober- und Untergewehr und klingendem Spiel zum Schweidnitzer Thor aus, musste aber sodann auf dem sogenannten Schweidnitzer Anger ihr völliges Gewehr ordentlich und bataillonsweise ablegen, die Cavallerie und Husaren von ihren Pferden absitzen, und sodann wiederum zu einem anderen Thore als Kriegsgefangene ein- und nach denen ihnen angewiesenen Orten marschiren. Des Königs Majestät lassen nunmehro eine accurate Liste (welche die Herrn österreichsche Commandanten nicht selbst fourniren können) von allen Kriegesgefangenen, Generals, Officiers und Gemeinen, auch von denen gefundenen neu eingebrachten österreichischen Canons, deren Anzahl auf 50 gehet, anfertigen, die ich dann dorthin zu übersenden nicht ermangeln werde,119-1 damit solche zum Druck gebracht werden könne.

Da der Generallieutenant von Zieten mit seinem unterhabenden Corps die übergebliebene österreichsche Armee (die bei der Gelegenheit der letzteren Bataille nach einmüthiger Aussage aller daher kommenden Deserteurs und mit Beistimmung anderer Nachrichten einen Abgang von fast 40,000 Mann gehabt, und wegen mehrentheils verlorener Bagage und Zelter sich in der äussersten Misère befindet) beständig talonniret und harceliret hat, so ist selbige auch von Schweidnitz wieder aufgebrochen und über Freiburg,119-2 Landshut und Liebau wiederum in Böhmen nach Trautenau und der Gegend Königgrätz eingerücket, ausser einigen Detachements, so dieselbe noch unter dem Generallieutenant Buccow zu Freiburg und einem Obristen Palasty zu Hirschberg119-3 zu Deckung ihrer Retraite stehen lassen. Ersterer hat sich bei Annäherung des General Zieten nebst noch einem im Gebirge stehen gebliebenen<120> General Kalnoky zurückgezogen, bei welcher Gelegenheit dann abermal der österreichsche Generalmajor Schreger120-1 nebst seinem Adjutanten und 100 Mann von denen Székely'schen Husaren zu Kriegesgefangenen gemachet worden; und letzterer dörfte schwerlich das Weihnachtsfest in Hirschberg ruhig feiren.

So hat sich auch der zeither fameuse gewesene Obriste Simbschen in Oberschlesien bei Annäherung des Obristen von Werner mit seinen von allerhand gehabten 2500 Mann über Hals und Kopf nach dem mährischen Gebirge retiriret und sogar die zusammengeraubte noch vorräthig gehabte Kassengelder à 1500 Thaler im Stiche gelassen.

Meine Nouvelles machen mein Schreiben länger, wie ich gedacht, desfalls Ew. Excellenz gehorsamst um Vergebung bitte.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



118-1 Vergl. Nr. 9624.

118-2 Vergl. Nr. 9625.

118-3 Vergl. die Schreiben des Königs an Argens vom 13., 19. und 26. December: Œuvres XIX, 46—48.

118-4 Der König gedachte die Relationen zur Ausarbeitung seiner Memoiren zu benutzen.

119-1 Vergl. S. 130. 136.

119-2 In der Vorlage: Freistadt.

119-3 Vergl. S. 102.

120-1 Vergl. S. 117.