9638. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN MAGDEBURG.

Breslau, 26. December 1757.

. . . Dass128-4 in denen übersandten Nachrichten wegen des von Sr. Königl. Majestät, gottlob, erhaltenen so herrlichen Sieges gegen die Oesterreicher nichts outriret worden, davor kann Ew. Excellenz allemal mit meinem Gewissen und Ehre repondiren; vielmehr ist in allem die grösseste Moderation128-5 gebrauchet und eher zu wenig als zu viel geschrieben worden, wie denn mit Ansetzung derer 22,000 Gefangenen128-6 gewiss kein error scribeniis vorgegangen, sondern deren Anzahl sich allemal, die Breslau'sche Garnison nicht mitgerechnet, um ein beträchtliches höher durch die Listen justificiren wird, obschon mit der Zeit davon verschiedenes, sowohl wegen derer, so an ihren Blessuren und Krankheiten gestorben, auch deren, so freiwillig in Dienste genommen zu werden gebeten, und darin nach davon gemachtem Choix angenommen worden, wie mit vielen Württembergern geschehen, abgehen dörfte.

Wegen des in den Berliner Zeitungen unter dem Namen eines Schreibers aus Neukirchen128-7 gesetzten Articuls habe den Herrn Geheimen Camerier Leinig selbst gesprochen; solcher desavouiret nicht nur solches, sondern, da die Zeitungsschreiber vorgegeben, als ob selbiges auf sein Verlangen und gleichsam auf allerhöchsten Special<129>befehl denen Zeitungen inseriret werden müssen, so lasset er durch mich Ew. Excellenz ersuchen, dieses ganz falsche und unrichtige Vorgeben denen Zeitungsschreibern nicht nur auf das schärfste verweisen, sondern selbige auch davor ernstlich ansehen zu lassen . . .

Ueber die aus Anlass des Sieges bei Leuthen zu prägenden Medaillen129-1 meldet Eichel, der König habe befohlen, „dass nebst einigen goldenen 400 Stück silberne gepräget werden möchten“ . Eine Anzahl derselben solle an den König geschickt werden, ebenso sollen den preussischen Gesandten Exemplare „nebst der behörigen Information der dabei vorgefallenen Umstände“ zugehen; „die übrigen würden sonsten wohl ihre Liebhaber finden, die sie allenfalls auch kaufen würden, sonderlich im Reiche, wenn sie durch Particuliers dahin kämen“ .

Ueber die Unternehmungen des Prinzen Ferdinand von Braunschweig schreibt Eichel:

Wann ich es vor mich sagen darf, so fange ich an vor letzteren etwas en peine zu werden, dass er sich nicht allerdinges recht nehmen und bei einer Expedition, wo es auf Vigueur und Vivacité ankommet, seinem Feind zu viel Zeit, sich zu recolligiren und zu renforciren lassen dörfte.129-2 Gott gebe ein besseres und alles Glück, sonsten der intendirte Friede ein grosses Anicroche erhalten würde.

An den regierenden Herzog von Braunschweig haben Se. Königl. Majestät vor 8 Tagen ohngefähr bereits in so amiablen als energiquen Terminis geschrieben129-3 und denselben dehortiret, sowohl seine Truppen als den Erbprinzen von der hannöverschen Armee abziehen zu wollen. Ew. Excellenz kennen indess schon längsten die Gesinnungen des herzoglich braunschweigischen Ministerii und insonderheit des Herrn von Gramm und vormaligen Herrn von Schrader, dessen neu angenommener Name mir nicht beifället.129-4

Se. Königl. Majestät seind ehegestern früh mit einem Corps Truppen von hier wiederum aufgebrochen und haben Dero Marsch über Striegau, Jauer und der Orten gerichtet, um sowohl Liegnitz als sonsten das schlesische Gebirge wiederum vom Feinde zu reinigen, Dero Bloquade von Schweidnitz zu berichtigen und die Kette zu [den] Winter-Postirungen gegen Böhmen zu formiren. Da Sie den 3. oder 4. dieses wieder hier einzutreffen gedenken, so haben Dieselbe vor gut gefunden, mich inzwischen hier zu lassen, um sowohl Dero inzwischen eingehende Correspondance als sonst ein und anderes zu besorgen.

Sonsten soll auf allergnädigsten Befehl an Ew. Excellenz beikommende Piecen übersenden.

Erstere ist das Diarium von der Belagerung von Breslau,

2) die Capitulation129-5 und

3) die Liste von aller darin gefangen bekommener Generalität und Officiers mit namentlicher Benennung der letzteren und derer Regimenter und Bataillons.

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Sr. Königl. Majestät Intention ist, dass alles solches als eine Suite derer bisher schon zum Druck geschickten Piecen an Ew. Excellenz übersenden und zugleich melden soll, wie Dieselbe deren Abdruck, und dass solche auf das allerfordersamste public gemachet werden möchten, besorgen, und zwar sowohl in teutsch- als französischer Sprache, auch dahin zu sehen hätten, dass eine gute Anzahl von letzteren citissime und allenfalls par estafette an des Prinz Heinrich Hoheit nach Leipzig geschicket würden, in der Intention, dass solche unter die daselbst gefangene französische Officiers kommen sollten, die solche gewiss bald nach Frankreich schicken und also auch mitten in Frankreich bekannt [machen] würde[n].130-1

Des Herrn von Schlabrendorff Excellenz werden hier sehr gerne alles, was Ew. Excellenz verlangen, drucken lassen. Die ohnehin mir einige Jalousie zu haben scheinen, dass hier nicht alles zuerst gedrucket und durch Deroselben von hier aus gedruckt nach Magdeburg geschicket wird.

Wegen der Ordnung im Druck erwähnter Piecen, so Se. Königl. Majestät dabei gehalten wissen möchten, melde noch gehorsamst, wie Dero Intention sei, dass zuvorderst das Diarium, dann die Capitulation und darauf die Liste derer Gefangenen sammt dem, so hinterher folget, gedrucket werde.130-2

Im übrigen lege ich noch vor mich bei, was an Kleinigkeiten zeither hier vorgefallen, und überlasse Ew. Excellenz lediglich, ob Dieselbe solches nur zu Dero Information behalten oder auch dem Publico daraus einige Communication thun wollen.130-3 Heute seind von hier viele österreichsche gefangene Officiers nach Frankfurt an der Oder abgegangen, als welcher Ort denenselben vorerst zu ihrem Aufenthalt angewiesen worden.

Wegen der Liste von denen gefangenen Officiers, so in Breslau bekommen worden, muss ich noch melden, wie es affreuse Schwierigkeiten<131> gekostet und sich damit über vier Tage trainiret hat, ehe solche auch nur so weit, als sie jetzo lieget, gebracht werden können, da es nicht zu glauben ist, wie wenig die österreichsche Generalität, so in Breslau commandiret hat, von der Anzahl derer Officiers und deren Personen bei den Regimentern sowohl, als von denen, so krank und blessiret liegen, informiret gewesen, und repondire ich noch nicht davor, dass in solcher insonderheit die Anzahl von letzteren richtig und vollständig angegeben sei. Ew. Excellenz empfehle ich mich übrigens ganz gehorsamst zu geneigtestem Andenken.

Eichel.

Breslau, 26. December 1757.

Ohnerachtet ich heute nnnmehro wiederum bis gegen 2 Uhr Nachmittags auf die mir so, heilig versprochene Liste sub numéro 3, deren in meinem Schreiben Erwähnung gethan, gewartet, so habe dennoch solche noch nicht bekommen können und also nur heute den Abgang des Couriers nicht länger aufhalten wollen, damit inzwischen nur das andere besorget werden könne. Ich hoffe aber solche morgen noch durch eine expresse Estafette nachsenden zu können,131-1 und soll es hier an meinem Treiben nicht fehlen.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



128-4 Im Eingange bestätigt Eichel den Empfang mehrerer Schreiben des Ministers.

128-5 Vergl. S. 23; Bd. XIII, 539; XIV, 376; XV, 18. 203.

128-6 Vergl. S. 82.

128-7 Schreiben aus Neukirchen bei Breslau vom 9. December in Nr. 149 der „Berlinischen Nachrichten“ , von Dienstag, dem 13. December.

129-1 Vergl. S. 80.

129-2 Vergl. Nr. 9621.

129-3 Vergl. Nr. 9608.

129-4 Schrader von Schliestedt. Vergl. Bd. XV, 482.

129-5 Vergl. S. 109. Anm. 5.

130-1 Vergl. S.117.

130-2 Die 3 genannten Stücke wurden durch das Ministerium am 31. December an die preussischen Gesandten verschickt. In den Berliner Zeitungen erschien das Diarium Sonnabend 31. December ( „Berlinische Nachrichten“ Nr. 157), die Capitulation und eine vorläufige Gefangenenliste am Dienstag, 3. Januar 1758 ( „Berlinische Nachrichten“ Nr. 1); ein „summarischer Extract“ der endgültigen Gefangenenliste (vergl. Nr. 9646), sowie eine „Recapitulation“ der Gefangenen und eine „Designation“ der erbeuteten Artillerie und Magazine erschien Dienstag, 10. Januar in Nr. 4 der Zeitung. In den Danziger „Beyträgen“ ist das Diarium gedruckt Bd. III, S. 721—723, die Capitulation S. 723—727, die endgültige Gefangenenliste nebst Extract, Recapitulation und Designation in Bd. IV, S. 112—141.

130-3 Diese Beilage ist nicht vorhanden; doch ist jedenfalls ein „Extrait einiger Berichte, was seither weiter mit dem Feinde vorgefallen“ gemeint. Das von Eichel durchcorrigirte Concept dieses Extracts liegt noch vor (im Geh. Staatsarchiv fälschlich geheftet zu den „Extracten für die Cabinetsvorträge“ Bd. pro 1778). Podewils hat diesen Extract fast wörtlich abdrucken lassen in Nr. 157 der „Berlinischen Nachrichten“ von Sonnabend, 31. December (S. 648 „Nach einem Berichte vom 19. December meldet der Major von Kleist“ bis S. 649 „in das Mährische Gebirge poussiret“ .)

131-1 Vergl. Nr. 9646.