9847. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.

Breslau, 14. Märe 1758.

Ew. Excellenz ganz gnädiges Schreiben [vom] 11. dieses habe heute Mittag par estafette hier zu erhalten die Ehre gehabt und danke<312> unterthänig vor den gnädigen Antheil, so Dieselbe an meinem Befinden nehmen wollen; es möchte sich mit dem Körper noch wohl etwas nothdürftig trainiren, daferne nur einige Ruhe des Gemüthes solchen secondiren könnte, und das Herz nicht beständig vieler Ursachen halber navriret wäre.

Den Herrn Mitchell finde ich bei dem Desastre, so ihm sehr unschuldiger Weise arriviret ist,312-1 ziemlich beruhiget und erwartet er ganz tranquillement die letztere Resolution, so sein Hof seinetwegen nehmen wird. Er findet aber ganz particulier, dass sein Ministerium ihn beurtheilen wollen, ehe dasselbe seine letztere Briefe, welche in Holland durch Wind und Wetter bei der übelen Saison aufgehalten worden, und den letzteren von ihm depechireten Courier erhalten hätte. Da indess des Königs Majestät in zweien kurz auf einander an den Herrn Michell ergangenen Schreiben312-2 Sich sehr vor den Herrn Mitchell interessiret haben, so flattiren Höchstdieselbe Sich noch, dass das englische Ministerium hierunter von der sehr präcipitiret genommenen Resolution ändern und den Herrn Mitchell auf seinem Posten continuiren wird, daferne erwähnte beide Schreiben nur noch zur rechten Zeit in Engelland, und ehe der Herr Yorke312-3 von dorten abgehet, eintreffen. Ich wünschete demnächst auch wohl sehr, dass der Herr Baron von Knyphausen312-4 seine Reise dergestalt beschleunigen könnte, um diese Sr. Königl. Majestät Intention noch in Zeiten bestens secondiren zu mögen. Die Creditive vor denselben haben Se. Königl. Majestät heute sogleich vollenzogen, und erfolgen selbige deshalb auch hierbei wiederum zurück.

Der Vorfall mit dem de Fraigne312-5 ist wohl einer der ohnangenehmsten, obgleich des Königs Majestät im Grunde der Sache Recht haben, der Zerbstsche Hof hergegen sich etwas übel genommen hat und insonderheit die verwittibete Fürstin eine Protection und Attachement vor gedachte Person bezeiget, die ganz besonders ist . . .“

Eichel übersendet das Schreiben des Königs an die Fürstin von Zerbst vom 14. März.312-6 Er bittet den englischen Gesandten Mitchell über die Angelegenheit de Fraigne's „au fait zu setzen“ , dieser werde alsdann den englischen Vertreter Keith in Petersburg informiren und „ihn ersuchen, allen übelen Insinuationen, so deshalb zu Petersburg gemachet werden könnten, wo nicht vorzubeugen, doch wenigstens davon zu desabusiren. Ich sollte auch fast glauben, dass es noch genugsam Zeit dazu wäre, da der Herr Keith vielleicht kaum jetzo zu Petersburg angekommen ist312-7 und dem Ansehen nach die mit dem Grosskanzler Bestushew geschehene Katastrophe312-8 jetzt die mehriste Attention bei dem Hofe daselbst occupiren wird. ...312-9

<313>

Des Königs Majestät gehen morgen mit dem frühesten von hier nach Reichenbach und von dar übermorgen nach dem Städtchen Freiburg, wohin ich auch Deroselben übermorgen zu folgen beordert worden bin und deshalb morgen Vormittag, wie schon erwähnet, von hier gehe. Ich zweifele fast nicht, dass alsdenn der Anfang der Belagerung von Schweidnitz bald darauf folgen und so eine Operation die andere nach sich ziehen, mithin hiesiger Orten die Campagne überall sehr frühe werde eröffnet werden, daferne nicht die noch ganz rüde Saison,313-1 zumalen im Gebirge, einiges Hola machen wird.

Unglaublich scheinet es fast zu sein, was jedoch sehr gute und ganz authentique Nachrichten versichern, dass man österreichscher Seits jetzo wirklich an dienstbaren, gesunden regulären Soldaten, NB. die Kranken und Rekruten davon ausgenommen, nicht völlig in Böhmen 18,000 Mann zusammenbringen könnte.

Die starke und bisher so glücklich gegangene Diversion des Prinz Ferdinand von Braunschweig und des Prinz Heinrich Hoheit dörfte auch den vielleicht schon genommenen feindlichen Operationsplan gar sehr derangiren und den grossen bisherigen Orgueil etwas abaissiren, wenn nur in Pommern etwas mehreres geschehen313-2 und die Nordseite besser gedecket wäre.

Gott wolle doch allen diesen Umständen durch einen glücklichen Frieden ein baldiges und erwünschtes Ende machen und es deshalb so weit bringen, dass die amerikanische Differenzien das einzige Obstacle davon wäre, da dann vielleicht sich zu allem Mittel und Rath fände; wegen welches Umstandes ich fast präsumire, dass des Königs Majestät mit vielem Vorbedacht und Grunde nichts occasione der bewussten Convention touchiren313-3 wollen, um dadurch diejenigen, die nur bloss auf ihre interieure Affaires denken, die grossen Sachen aber darüber entweder nicht einsehen oder doch negligiren, nicht noch mehr zu irritiren oder in Irresolution zu halten.

Ew. Excellenz gnädigem Andenken und Wohlwollen empfehle ich mich mit meinem ohnveränderlichen Respect und treuesten Attachement.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



312-1 Vergl. S. 291.

312-2 Vergl. S. 277. 291.

312-3 Vergl. S. 292.

312-4 Vergl. S. 293.

312-5 Vergl. S. 284.

312-6 Vergl. S. 284 Anm. 2.

312-7 Vergl. S. 230.

312-8 Vergl. S. 307. Anm. 6.

312-9 Eichel theilt im Folgenden dem Minister seine Besorgnisse mit über die Correspondenz des Königs mit der Königin von Schweden. Vergl. bereits S. 273. Anm. 2.

313-1 Vergl. S. 309. Anm. 2.

313-2 Vergl. S. 309. 310.

313-3 Vergl. S. 199. 200. 293.