10196. AN DEN GENERALLIEUTENANT GRAF DOHNA.

Kloster Grüssau, 9. August 1758.

Seit gestern und heute frühe habe Ich Eure vier Schreiben vom 3., 4., 5. und 7. dieses richtig erhalten. Nachdem Ich deren Einhalt ersehen, so muss Ich Euch nur reine sagen, dass Ihr Eure Dispositiones nichts nutze machet. Was ist ein Corps von 3 Bataillons, so Ihr über die Oder schicket?156-1 Solche können sich nicht souteniren, und müssen wenigstens 8 Bataillons nebst Euern Husaren und Dragoners sein, dann könnet Ihr damit was ausrichten, sonsten bei solchen detachirten keine Solidität ist, Ich auch nicht weiss, was Ihr mit Euren Husaren und Dragonern jenseit der Oder machen wollet.

Der Ort, wo Ich in Schlesien über die Oder zu gehen gedenke, heisset Tschi[cherzig].156-2 Ich denke den 18. über die Oder zu gehen und von dar gerade auf Züllichau zu marschiren. Ich repetire Euch, was Ich Euch gestern schon geschrieben habe,156-3 ohne solches weitläuftig zu wiederholen. Ich werde Euch aber gegen die Zeit Ordre geben, auf Sternberg zu marschiren, und werde alsdenn sehen, wo wir uns ohngefähr bei Paradies156-4 conjungiren. Ich erinnere Euch jedoch in gnädiger Absicht, dass es Mir scheinet, als ob Ihr, wenn Ihr Gefahr sehet, keine Partie nehmen wollet, da doch nichts anders übrig ist, als dass wir darauf gehen müssen. Ich hoffe, Ihr werdet Euch bei Zeiten von Eurer Bagage losmachen und lassen alle Compagniewagens zurück, nehmen alsdenn auch nichts mit als die Chaisen der Commandeurs, ferner die Regimentfeldscherwagens und die 5 Brodwagens, jedoch mit Brod wohl beladen, auf dass, wenn Ihr von Mir die Ordre krieget, über die Oder zu gehen, Ihr auf 9 Tage Brod darauf vorräthig habet.

Die Kavallerieregimenter, so Euch Mein Bruder Heinrich zugesandt,156-5 denke Ich nicht nöthig zu haben. Ihr sollet also dem Generalmajor Zieten156-6 sagen, dass, wenn Ich herankommen werde, Ich ihm sagen würde, bald wiederum zurück nach Meinem Bruder Heinrich, und zwar über Torgau zu gehen; mithin er nebst den Escadrons nicht lange bei Euch bleiben würde.

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Ich wiederhole nochmal, dass Ihr eine convenable Avantgarde über die Oder schicken sollet, nämlich alle Eure Husarenregimenter, den Generallieutenant Schorlemer mit seinem Regiment, der sein Tage nichts thun will, sondern sitzet und kalmäusert; ferner 4 Grenadierbataillons und die Regimenter von Kanitz und von Rauter: alsdenn wird die Sache ein ganz ander Ansehen gewinnen, sonsten aber nichts anders herauskommen wird, als dass der Feind Mein Land ravagiret und Ihr en détail geschlagen werdet. Ich rathe Euch sehr, dass Ihr und alle Eure Officiers Euch aus denen Köpfen bringet, als ob die Russen in einem inattaquablen Lager stünden, welches sonsten Ich Euch und allen Euren Officiers nicht gut heissen werde.

Den bewussten Bruit, davon Ich Euch gestern geschrieben,157-1 dass Ich allein auf die Russen, und Ihr indess auf die Schweden marschiren werdet, auszubringen, ist jetzo noch zu früh; unterwegens [auf] Meinem Marsch werde Ich Euch den Tag schreiben,157-2 wenn es geschehen soll. Ihr könnet erachten, dass alles behutsam geschehen muss und dass, so nöthig wie Ich auch hier bin, Ich Mich von hier, so zu sagen, wegstehlen muss.157-3

Friderich.

Nach dem Concept.



156-1 Dohna hatte, Lager bei Frankfurt an der Oder 5. August, gemeldet: „Der Generalmajor von Malachowski ist mit die Husaren und 300 Pferde Dragoner nebst dem Generalmajor von Diericke mit 3 Bataillons Infanterie diese Nacht um 1 Uhr nach Sternberg abgegangen.“

156-2 Vergl. Nr. 10191 Anm. 4. und Nr. 10192.

156-3 Vergl. Nr. 10191.

156-4 Nördl. von Schwiebus, an der brandenburgisch-polnischen Grenze.

156-5 Vergl. S. 123. Anm. 4.

156-6 Der Commandeur der beiden Kavallerieregimenter, Generalmajor Hans Sigismund von Zieten.

157-1 Vergl. Nr. 10191 mit Anm. 3 zu S. 151.

157-2 Vergl. Nr. 10202.

157-3 In einem Schreiben, d. d. Kloster Grüssau 10. August, bezieht sich der König nochmals auf das Schreiben vom 9. Er fügt hinzu, dass er Dohna weiter schreiben werde, „wann Ihr über die Oder gehen und zu Mir stossen sollet; wie dann auch die Umstände mich vielleicht zwingen werden, nach Crossen zu gehen, um desto eher zu Euch zu stossen“ .