11792. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLTN.

Freiberg, 2. Februar 1760.

... Ich.. melde Ew. Excellenz dannenhero, dass, was zuvorderst die an Ew. Excellenz sonder Resolution zurückgekommene Anfrage wegen derer Herrn Candidaten zu dem Kopenhagenschen Posten anbetrifft, ich nicht sowohl vermuthe, dass des Königs Majestät diesen Articul [übersehen] haben, als dass Dieselbe vielmehr ein Subjectum daraus zu wählen dem Königl. Departement selbst überlassen wollen, welches mir um so wahrscheinlicher vorkommet, da ich zweifele, dass einer von denen drei Candidaten52-3 Sr. Königl. Majestät persönlich bekannt sei, und Dieselbe Sich also auf Ew. Excellenz Choix darunter verlassen; wie ich denn auch persuadiret bin, dass, wenn solcher von Deroselben getroffen worden und Dieselbe das erforderliche darüber zu Sr. Königl. Majestät Vollenziehung einschicken werden, Dieselbe alles ohne weiteren Anstand unterschreiben dörften. Was Ew. Excellenz wegen des jungen Herrn von Borcke noch mit anzuführen geruhen, solchem muss ich vor meine Wenigkeit vollkommen beipflichten, und habe ich denselben und seine gute Talents vielmehr bedauret, dass solche durch eine so lange Oisiveté zurückgesetzet worden und er solche nicht durch beständige Application auf mehrere und bessere Arbeit cultiviren und selbst seine faible Constitution dadurch fortifiiren können. Es ist zwar bekanntermaassen der Posten zu Kopenhagen nicht der revenanteste, vor ihn aber würde es allezeit ein Glück sein, wann er auswärtig käme und sich vorerst nur mehr evertuiren könnte.52-4

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[Eichel bespricht die Schwierigkeit der Correspondenz mit Rexin und klagt über das stete Oeffnen der Briefe in Frankreich und Oesterreich.] Es bessert auch nicht, wenn solche gleich in Chiffres seind, denn nicht zu gedenken, wie viel Mühe und Kosten der wienersche Hof überall anwendet, um Traîtres und Chiffres zu bekommen, ... so weiss man, dass gedachter Hof sich vantiret, Leute zu haben, die vorgeben, alle Arten von Chiffres, auch ohne den gewöhnlichen Schlüssel, zu dechiffriren; und obschon ich wenig von dieser falsch gerühmten Kunst halte, wenn sonsten das Chiffrirte nur mit gehöriger Attention und Vorsicht chiffriret ist, so hat es doch den übelen Effect, dass ein dergleichen Mensch, um sich seine Pension zu conserviren, das odioseste, so er imaginiren kann, und wodurch er sich seinem Hofe gefällig zu machen glaubet, über das Chiffrirte setzet und solches herausgebracht zu haben vorgiebet, da denn obgedachter Hof solches an allen Höfen, wo ihm daran gelegen, mit den schwärzesten Farben communiciret. Ich erinnere mich über dergleichen Sujet noch immer, was Anno 1730 deshalb zwischen des Höchstseligen Königs Majestät und dem dermaligen englischen Minister Hotham wegen eines intercipireten chiffrirten Briefes, so Reichenbach an des weiland Herrn von Grumbkov Excellenz geschrieben, passiret ist.53-1

Der letztere gefährliche Zufall des Herrn Landgrafen zu Cassel hatte des Königs Majestät sensiblement gerühret; obschon Dieselbe von dessen längerem Leben nicht viel hoffen, so erfreuet es Se. Königl. Majestät doch immer, wenn es sich damit noch trainiret und dessen Ende so spät wie möglich erfolget. Die Ursache ist Ew. Excellenz bekaunt;53-2 ich habe aber nur noch anführen wollen, wie ich nur noch unter dem 26. voriges von einem Freunde aus Magdeburg ein Schreiben erhalten, nach welchem er die Reflexion machet, dass die österreichische kriegesgefangene Herrn Generals und Officiers dorten zu vieler Verwunderung sehr fetiret würden,53-3 da doch gegenseitig, wenn sonst denen Öffentlichen Zeitungen zu glauben, die unsrige dorten wegen einer ganz unschuldig begangenen Imprudence zu Wien in das Rumor- oder Stockhaus geworfen und dadurch öffentlich beschimpfet würden ....

Aus beiliegender, obschon vermuthlich dort schon bekannten französischen Zeitung53-4 werden Ew. Excellenz zu ersehen geruhen, wie meine Besorgniss wegen einer übelen Intention in Absicht auf den Herrn Grafen von Hordt nicht ganz ohne Grund gewesen. Das dem Herrn Generallieutenant von Manteuffel zu unserer grössesten Bestürzung arrivirte Unglück,53-5 so vorgestern des Königs Majestät erst von dem<54> dortigen Generalmajor von Stutterheim gemeldet worden, verdoppelt meine Beisorge nnd wird diese Sache um so delicater und von so mehr zu gebrauchender Précaution machen.

[Eichel klagt über den Mangel an „patriotischem und königlichem Diensteifer“ bei den Beamten des Berliner Oberauditoriums, welche die Kartellverhandlungen mit den Schweden noch immer nicht zu Ende gebracht hätten. Manteuffel habe allein den Stand der Verhandlungen gekannt, Stutterheim dagegen „weiss von nichts und ist wohl eigentlich zu nichts dergleichen aufgeleget“ .]

Was des Königs Majestät insbesondere bei diesem Zufall embarrassiret, ist, dass ohnlängst nur der in Pommern commandirende schwedische General Lantingshausen von freien Stücken dem General Manteuffel eine Neutralitätsconvention zwischen beiderseitigen Truppen auf einige Monate angetragen, welche des Königs Majestät auch auf davon geschehenen Bericht des letzteren gerne agreiret und solche auf 6 Monat zu schliessen autorisiret haben.54-1 Diese hätte uns in vielen Stücken accommodiret; ich sorge aber, dass auch solche nach dem fatalen Zufall in das Stecken gerathen und dieser wohl gar auf die Russen einige Influence haben dörfte, wenn dieselbe, wie man spargiret, einigen Einfall von der Seite von Pommern intendiren dörften. Des Königs Majestät haben zwar dem von Stutterheim in specie befohlen und autorisiret, wegen gedachter Convention mit dem von Lantingshausen die Correspondance zu continuiren und zu Stande zu bringen. Mein Vertrauen zu ersterem ist geringe, ich kenne bis dato nichts von ihm als seine Grobheit und Brutalité gegen die, welchen er es bieten zu dörfen vermeinet; ich wünsche indess, dass alles gut gehen möge. Ob es übrigens dem von Lantingshausen mit solcher Neutralitätsconvention ein Ernst gewesen oder er sich nach schwedischem Gebrauch solches Vorgebens bedienen wollen, um den würdigen General Manteuffel sicher zu machen, solches muss dahingesteliet sein lassen. Etwas Ohnachtsamkeit und schädliche Sicherheit muss dabei geschehen seind, und des Königs Majestät attribuiren den Vorfall den schlechten und negligenten Patrouilliren bei jetziger Kälte, sonsten die geschehene und denen Schweden doch sehr umgeschlagene Surprise nicht möglich gewesen wäre. . . .

Von M. Mitchell haben Selbst des Königs Majestät seit einiger Zeit remarquiret, dass er sich jetzo und seit verschiedenen Wochen her sehr stille und geschlossen hält und viel Humeur blicken lasset, so ihm sonst gar nicht gewöhnlich. Es ist an dem, dass er einige Zeit her von fieberhaften Anfällen incommodiret gewesen; aus dem Umgange aber, den ich mit ihm gehabt, und dem so er sich en bâtons rompus gegen mich geäussert, urtheile fast, dass es ein heimlicher Chagrin ist, weil er sich von seinen Ministern und sonsten negligiret zu werden glaubet, von welchen er jetzo und zeither wenig Briefe oder doch sehr spät erhält. Des Königs Majestät gracieusiren ihn sonst wie vorhin allemal. Da er des Königs Majestät sowohl Selbst als auch meiner Wenigkeit ohnlängst gesaget hat, wie dass der König sein Herr ihm letzthin aus eigener Bewegung und ohne Zuthun des Ministère den Charakter von Ministre plénipotentiaire all hier beigeleget54-2 und zugleich eine jährliche Zulage von 1000 Pfund gegeben hatte, so weiss ich nicht, ob er an Ew. Excellenz davon Notification gethan. Ich glaube aber, dass es ihn sehr aufrichten dörfte, wenn Dieselbe geruhen wollten, nach Dero Zeit und Gelegenheit dann und wann [ihn] mit einigem lettre d'amitié zu beehren; sonst muss ihm einzeugen, dass er in seinen wohlintentionirten Sentiments noch immer invariable bleibet. . . .

Eichel.

Auszug aus der Ausfertigung.

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52-3 Die Namen waren nicht zu ermitteln, da die Anfrage Finckensteins nicht mehr vorliegt.

52-4 Am 10. Februar schreibt Eichel dem Minister, es habe ihm „Freude gemachet, dass die Wahl wegen der Mission nach Kopenhagen auf den Herrn Legationsrath von Borcke gefallen und von des Königs Majestät approbiret worden. Ich bin persuadiret, dass derselbe sich ganz wohl von dieser Fonction, wenn er erst etwas en train sein wird, acquittiren und durch Fleiss und Application noch weiter evertuiren werde, da er sich und seinem guten Naturel nunmehro ganz überlassen ist.“

53-1 Vergl. Droysen, Preuss. Politik, Bd. IV, Th. 3, S. 88 ff.

53-2 Man befürchtete, dass der zum Katholicismus übergetretene Erbprinz Friedrich den preussischen Dienst verlassen und sich der gegnerischen Partei anschliessen werde. Vergl. Bd. XVIII, 761.

53-3 Der Erbprinz befehligte in Magdeburg als Vicegouverneur.

53-4 D. d. Amsterdam 22. Januar 1760, mit der Mittheilung aus Petersburg vom 24. December 1759, dass die schwedische Regierung die Auslieferung des Grafen Hordt (vergl. S. 30), als Theilnehmer an der Verschwörung von 1756, verlangt habe, dass man von russischer Seite vermuthlich dieser Forderung nachkommen werde, und dass die Kaiserin den Grafen nach der Festung habe bringen lassen.

53-5 Stutterheim meldete, Anklam 28. Januar, dass an diesem Tage die Schweden in Anklam eingedrungen seien; sie seien zwar gleich darauf zurückgeworfen worden, dabei sei aber der General Manteuffel verwundet und gefangen genommen worden. — Auf dem Berichte Manteuffels, d. d. Greifswald 30. Januar, worin er bittet, dem schwedischen General Lantingshausen vorläufig einen Revers ausstellen und nach Preussen zurückkehren zu dürfen, findet sich die Weisung für die Antwort: „Lieb, dass ihm kein [Unglück] geschehen. Dass zurück käme, ganz zufrieden. Kartell würde geschlossen sein, und er also können ausgewechselt werden.“

54-1 Vergl. Nr. 11788.

54-2 Im November 1759.