12301. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Hauptquartier Dallwitz, 1. August 1760.

... Da mir die völlige Versicherung gegeben worden, dass ich heute noch meine Briefe mit vollkommener Sicherheit nach Torgau und so weiter abschicken könne, so werde mich des Chiffres so wenig als möglich bedienen und melde daher gehorsamst, wie Ew. Excellenz es in Dero Soupçons leider sehr getroffen534-5 und einen Articul berühret haben, der mir schon seit einiger Zeit sehr an das Herz gelegen und tausend Unruhe verursachet hat, wovon mich gerne vertraut gegen Dieselbe expliciren wollen, aber solches zu thun dennoch wieder Anstand genommen. Dieses ist der Articul, welcher mir gleich bei dem Anfange der entstandenen Unruhen so sehr und am meisten mit chagriniret hat. Die vorige Erfahrung hatte mich schon gelehret, wie schwer es sei, Unglück zu ertragen, ohne sich einem gewissen Désespoir zu ergeben. Ich thue, was in meinen Kräften stehet, um dieses zu mildern, Ew. Excellenz aber kennen die Délicatesse, deren man sich deshalb zu<535> bedienen hat, und dieser Point macht meine Situation höchst betrübt und consumiret mir bei allen andern Sorgen und Fatiguen Kräfte und Leben.

Was das übrige aber anlanget, worüber Sich des Königs Majestät gegen Ew. Excellenz mittelst des vorhin abgegangenen Courier Diederich expliciret haben535-1 und es heute wiederholen, solches ist von einer indispensablen Nothwendigkeit; nicht, dass solches à tout hasard ou par un coup de désespoir geschehe, sondern weil es schwerlich zu vermeiden und selbst von dem andern Theile gesuchet werden wird, ohne solches aber das Unglück sich währender Zeit ohnendlich vermehren und zuletzt alles irréparable sein würde, auf welches letztere auch das ganze Gegensystème gebauet ist und man deshalb hier so viel lanterniret hat. On535-2 a l'intention d'envahir la Silésie sans opposition et de prendre deux ou trois des principales forteresses,535-3 tandis que Daun doit amuser ici le Roi, et de réunir alors tout ce qu'on a de forces, pour tomber en même temps sur le Roi, par des marches bien calculées, et [l']accabler de cette façon, [après s'être réuni]535-4 avec les Russes. Ew. Excellenz werden Selbst urtheilen, dass dieses nicht zu evitiren sein würde, daferne nicht eine Interscene geschiehet.

Um auch Ew. Excellenz auf den letzteren Articul Dero gnädigen Schreibens vom 29. zu antworten, so melde auf Dero Befehl und unter der gnädig gegebenen Versicherung, dass en cas de dernier malheur et que Magdeburg ne saurait éviter un siège ni être bientôt secouru, Brunswick me paraît la retraite la plus proche pour la famille royale et pour tout; welches sich doch nach denen Conjoncturen richten müsste, bis man zu Hannover conveniren könne. Die Zeit pressiret mich zu schliessen.

Das Absterben des wohlseligen Herrn Grafen von Podewils535-5 hat mich ohnendlich betrübet und ist des Königs Majestät sehr nahe gegangen. Sie dörften deshalb nicht sobald disponiren, inzwischen Ew. Excellenz die Führung der Barque allein überlassen.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



534-5 Finckenstein hatte in seinem Schreiben vom 29. Juli bemerkt, er finde in dem Schreiben des Königs (Nr. 12291) „des traces d'un désespoir si marqué que j'en ai le cœur tout ulcéré“ .

535-1 Vergl. Nr. 12 291.

535-2 Französisch, weil chiffrirt.

535-3 Im königlichen Hauptquartier war es offenbar noch nicht bekannt, dass Glatz am 26. Juli von Laudon erobert worden war. Vergl. Tempelhoff a. a. O. Bd. IV, S. 81.

535-4 Vorlage: façon la réunir avec.

535-5 Der Minister Graf von Podewils war am 29. Juli gestorben.