12446. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Jonitz bei Dessau, 26. October 1760.

.... Der General Hülsen nebst dem Prinz Eugène von Württemberg seind heute über Dessau zu des Königs Majestät anhero gestossen. Was ersterer unterwegens noch vor einen kleinen Coup auf die Württemberger gemacht, werden Ew. Excellenz aus anliegendem dessen Originalberichte33-1 ersehen, den nachher zu denen andern königlichen Papieren zu legen bitte. Was aber der Commandant zu Küstrin, Obristlieutenant von Heiderstedt, in beikommenden beiden Originalschreiben33-2 meldet, gefallet mir nicht allerdinges; des Königs Majestät haben dergleichen Projet von denen Russen in Dero Antwort vor ohnmöglich gehalten und gedachtem Commandanten seine wenige Fermeté und Ueberlegung verwiesen. Es kann seind, dass, wie der König es muthmaasset, es Ostentationes en faveur der Schweden seind.

Wie bald Prinz Eugène von Württemberg mit seinem Corps zurückgehen wird, kann man noch nicht wissen. Der General Zieten stehet mit einem beträchtlichen Corps noch, von hier aus gerechnet, jenseits der Elbe,33-3 um die Reichsarmee in Respect zu halten, wird aber demnächst auch zu dem König stossen, inzwischen nach so eben eingekommenen Nachrichten letztere, nach erhaltener Nachricht von dem Uebergange des Königs über die Elbe, sich schon zurückgezogen. Der Herzog von Württemberg mit seinen Truppen soll noch bei Halle stehen, wohin er sich von Oranienbaum in dem Dessauschen, wo er vorhin campiret, zurückgezogen hat,

Gott erfülle den Hauptwunsch des Königs und lege dadurch den Grund zu einem baldigen und soliden Frieden! Sollte des Königs Majestät, wie sehr zu wünschen, alles in Sachsen nach Wunsch reussiren, so wünschete ich vor mein Theil, dass Benoît ein Mensch wäre, der denen dortigen sächsischen Leuten als wie vor sich — den Minister ausgenommen — auf eine feine und sehr adroite Weise die Ueberlegung inspiriren könne, wie übel man von Seiten der Alliirten des Königs von Polen mit seinen sächsischen Landen verfahre, und wie wenig Égard, von solchen auf ihn, den König, genommen, inzwischen seine Erblande recht geflissentlich aux abois gebracht und so, wie genommen, also auch wieder verlassen würden und der Discretion von Freund und Feind überlassen und ganz mit Vorsatz zum théâtre de guerre exponiret würden. Es ist aber von M. Benoît, der nebst seiner Frauen den Branntwein stark gebrauchen soll, dergleichen Adresse nicht zu hoffen.

[Eichel übersendet dem Minister ein Schreiben des Markgrafen von Baireuth.33-4]

Dass die Entreprise des Prinz Ferdinand von Braunschweig auf Wesel echouiret<34> sei, wird Ew. Excellenz bekannt sein. Er hat es des Königs Majestät gemeldet, Die ihm darauf cordialement das chimérique von solchem Projet und wie viel weniger Embarras er sich zugezogen haben würde, wenn er statt dessen nach Sachsen detachiret hätte, gezeiget haben.34-1 Der Refus, so er dem General Hülsen damals sowohl als dem König selbst gab, war nicht freundschaftlich, indess zu wünschen ist, dass er seine Campagne glücklich und glorieux endigen möge.

M. Mitchell ist noch zu Glogau. Mir gehet solches sehr nahe, und sein Bleiben allda ist nichts nutze, einestheils wegen gewisser mecontenter Gemüther, die ich Ew. Excellenz nicht nennen darf, da solche Deroselben schon bekannt, anderntheils weil er risquiret, dorten gar eingesperret zu werden, wenn die Wege von dar unsicherer wie jetzo werden sollten. Er ging vorhin nach Breslau, um sich von denen Fatiguen derer Märsche, so er mit dem König gethan, zu erholen, die ihn sehr entkräftet hatten. Als der König nach dem schlesischen Gebirge marschirete, blieb jener in Breslau wegen noch nicht retablirter Kräfte zurück und hat in der Zeit nur einmal an den König geschrieben. Als des Königs Majestät den Marsch aus dem Gebirge durch die Lausnitz hieher resolviren mussten, schrieben Sie ganz gracieuse an ihn, 34-2 ob er zu Deroselben kommen und die fatiganten Märsche, so allem Ansehen nach geschehen müssten, mit thun oder aber nach Glogau gehen wollte, um daselbst mehr als zu Breslau à portée zu sein, zu Deroselben zu kommen; gleich darauf aber liessen Sie ihm durch den Minister von Schlabrendorff insinuiren,34-3 wie Sie es sehr gerne sehen würden, wenn er bald zu Deroselben kommen wollte, da Sie Sachen von der äussersten Wichtigkeit mit ihm zu sprechen hätten. Er entschuldigte sich mit noch fortwährender Faiblesse und schrieb, dass er nach Glogau gehen würde. Wohin er auch in einer ganzen Cohue von Leuten allerhand Standes gegangen ist, und von welcher Zeit an weder er noch seine ganze Reisegesellschaft nicht ein Zeichen von Leben bis auf den von Schlabrendorff gegeben haben. Ich schreibe dieses nur allein zu Ew. Excellenz Privatnachricht. Es kann sein, dass Leute dorten seind, die aus einem besondern Mécontentement des Königs Sachen schon lange als verloren angesehen haben und daher deren vermeintliche Pénétration flattiret sehen, wenn die Sachen übel gehen; ich fürchte deren Inspirationes auf diesen sonst allemal wohlgesinnet gewesenen Minister und unterstehe mich daher, Ew. Excellenz vorzuschlagen, ob Dieselbe nicht vor gut finden, demselben vor Sich zu schreiben und zu proponiren, vorerst nach Berlin oder nach Magdeburg zu kommen, um Sich mit ihm über einund andere Sachen von Conséquence préalablement zu concertiren, bis dass des Königs Majestät, wie hoffentlich nächstens geschehen werde, [ihn] zu Sich nach Sachsen rufen lassen werden. Er wird dadurch, glaube ich, aus seiner Schlafsucht kommen und aus übelen Händen sauviret werden. Der Prätext wegen der unsicheren Wege nach Frankfurt kann auch nicht wohl stattfinden, da ich heute von dem Minister von Schlabrendorff ein Schreiben vom 23. dieses mit der ordinären Post oder vielmehr par estafette erhalten, worin er mir die Wege noch sicher zu sein anzeiget, auch zugleich meldet, die an Ew. Excellenz ihm von mir hinterlassene Sachen mit aller Précaution nunmehro abgeschicket zu haben. Ueberhaupt, falls der leidige Krieg noch continuiren sollte, würde es ohnvorgreiflich sehr nöthig sein, mit ihm ein baldiges Concert über die an Se. Königl. Majestät noch zu continuirende englische Subsides zu nehmen, da das Parlement schon den 13. November eröffnet werden soll, anderer höchst importanten Sachen, so mit ihm zu überlegen, zu geschweigen, so durch keine Correspondance nach Glogau, wohin er auch nicht accreditiret ist, zu geschweigen.34-4 Sollten auch die Wege etwas unsicherer werden, so würde meines Erachtens er allenfalls leichte einen Passe-port von dem Soltykow,34-5 als ein Minister eines Hofes, der mit dem Hofe von diesem in gutem Vernehmen stehet, erhalten können. Des Königs Majestät würde es sehr flattiren, wenn es schiene, als ob er Deroselben aus eigener Bewegung wenigstens bis Berlin oder Magdeburg gefolget wäre; und da die Sachen hier wegen ihres Ausganges sich in Zeit von ohngefähr 14 Tagen decidiren müssen,<35> so würde er alsdenn à portée sein, gleich zu dem König zu kommen, Die ihn gewiss deshalb auf das gnädigste accueilliren würden. Ich stelle jedennoch alles dieses Ew. Excellenz Gutfinden anheim und melde nur noch, dass ich Dero gnädige Schreiben vom 20. und 25. dieses erhalten habe. Zu Deroselben gnädigem Wohlwollen empfehle mich mit meinem gewöhnlichen Respect.

Eichel.

Auszug aus der Ausfertigung.



33-1 D. d. Dessau 25. October; vergl. Nr. 12447.

33-2 D. d. Küstrin 22. und 25. October. Auf dem Berichte Heiderstedts vom 25. October, mit der Meldung, dass die Russen von Frankfurt und Landsberg heranrückten, um, wie er muthmaasse, Küstrin „von allen Seiten einzuschliessen“ , finden sich die Weisungen für die Antwort: „Thäte Mir leid, dass ihm der Kopf so drehet, habe bessere Opinion von ihm gehabt — so schlecht. Ich habe nicht gehört, dass der Weg von Frankfurt nach Küstrin über Driesen ginge! Mich den Br[ief] zu schreiben, dass Kosacken streiften! Nicht gescheidt! Küstrin ist [ein] Ort, wen man bei dieser Jahreszeit weder attaquiren noch nehmen könne, und dächten die Russen nicht dran. Ich würde aber bedacht sein, einen zum Commandanten hinzuschicken, der mehr Fermeté und Ueberl[egung] hätte als er.“

33-3 Vergl. S. 30.

33-4 D. d. Baireuth 7. September, den Vorschlag enthaltend, dass heimliche Friedensverhandlungen mit Frankreich durch Vermittelung des Markgrafen angebahnt werden sollten. Auf dem Schreiben finden sich folgende Weisungen für die Antwort: „Sehr obligeantes Compliment vor seine freundschaftliche Offertes; um aber so viel convenabler davon urtheilen zu können, so müssen wir wohl erst die Évènements der jetzigen Campagne abwarten und sehn, wie sich solche schliessen wird.“ Vergl. dazu Schäfer a. a. O. Bd. II, Abth. 1, S. 391.

34-1 Vergl. Nr. 12444.

34-2 Vergl. Nr. 12412.

34-3 Vergl. Nr. 12413.

34-4 So.

34-5 Dem russischen Minister in Hamburg.