12457. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Eilenburg, 31. October42-3 1760.

. . . Vorhin gemeldeter Maassen42-4 ubersende hierbei nunmehro das mir zugekommene zu Warschau publicirte Mémoire sur le bombardement de Dresde nebst einigen von dem darin so sehr angegriffenen Verfasser42-5 des ersteren Bulletin darüber gemachten Noten, soweit es das Militaire angehet, um die in dem Mémoire deshalb angeführete grobe Unwahrheiten zu reprehendiren. Ich bin von dererselben Véracité um so mehr versichert, als Ew. Excellenz, welcher denselben schon genannt habe, die Modestie des Herrn Verfassers kennen, und habe ich vor mich annoch remarquiret, dass er der Brièveté wegen vergessen, den Umstand über den geschehenen Dégât in dem königlichen Grossen Garten mit anzuführen, dass, als der König davon Nachricht bekommen, derselbe solches sehr improbiret und gleich befohlen, alle diejenigen, so noch dabei betroffen würden, wie auch geschehen, zu arretiren und der Rigueur nach zu bestrafen. Die von Massacres derer Einwohner von der Wilsdruffer Vorstadt angeführte Umstände seind so falsch als erlogen, wenn auch ein Prediger selbst solche in seinem Memorial angeführet hätte, und leugnen wollen, dass nicht aus Dresden die Reste derer Vorstädte, so der General Schmettau<43> zu verbrennen nicht nöthig erachtet, desgleichen das sogenannte Josephinenstift durch Canons und dahingeworfene Bomben und Haubitzgrenaten wären demoliret und angestecket worden, solches wäre die Impudence auf das höchst getrieben und so viele tausend Zeugen, die es mit Augen gesehen, widersprechen wollen. Enfin, wenn die Zeit des Verfassers derer Remarquen es demselben hätte zulassen wollen, so würde er dergleichen Unwahrheiten fast bei jeder Linie dieser furieusen Declamation haben machen können. Alle Officiers der Artillerie und diejenigen, so mit der Belagerung zu thun gehabt, werden einzeugen müssen, wie des Königs expresse wiederholte Ordre gewesen, der Stadt, so viel menschmöglich, insonderheit aber des Schlosses und der katholischen Kirche zu schonen. Welcher vernünftiger Mensch kann auch wohl glauben, dass, wann man einen Ort mit Vivacité belagert, um daselbst wiederum einen Posten zu bekommen, man solchen zuvorderst ausbrennen und die Häuser in einen Steinhaufen verwandeln werde!

Was darunter zu Wittenberg geschehen, als letzthin die Reichsarmee diesen Ort belagert, erkläret dieses, und werden Ew. Excellenz aus den Anlagen43-1 zu ersehen geruhen, was der dortige Burgemeister davon an den Herrn Major Graf Anhalt geschrieben (deren beiden Namen aber zu menagiren gehorsamst bitte). Das Évènement hat gewiesen, dass man diesen Ort nur deshalb belagert und genommen, um solchen auszubrennen und zu ruiniren, da man denselben sobald und fast noch eher, als sich nur ein Avantcorps von der preussischen Armee in denen dasigen Gegenden sehen lassen, solchen, nachdem man alle Artillerie herausgezogen und einen Theil des Walles an der Elbe in etwas demoliret hat, verlassen und die Reichsarmee sich diesseits der Elbe herübergezogen, auch, um ihren guten Willen gegen diesen Ort zu bezeugen, in solchen, obschon noch niemand selbigen wieder occupiret hatte noch occupiren können, noch verschiedene Bomben und Haubitzgrenaden geworfen, um dieses Ketzernest recht zu kränken. Ein sicherer sächsischer Officier hat mir contestiret, wie, als vor der Belagerung die Reichsarmee der Gegend Düben herumgestanden, der Commandeur der Artillerie, so zur Belagerung destiniret gewesen, sich öffentlich verlauten lassen, wie er hoffte so glücklich zu sein, die erste Bombe, so er werfen lassen würde, in der Kirche zu bringen, wo der Erzketzer Luther begraben wäre. Hier würde der Autor des Mémoire sur le bombardement Stoff haben, seine declamatorische Wissenschaft anzubringen. Wenn aber Küstrin, Colberg, Zittau p. ohne rime noch raison reine ausgebrannt werden, so heisset es raison de guerre.

Was hat nun das gute Sachsen vor Nutzen von der vorhin so pompeux annoncirten Expedition des Herzog von Württemberg, der Reichsarmee und selbst endlich des Daun gehabt, als dass man an denen Orten, wodurch sie, sonderlich beide erstere, ihre Züge gehabt, rein ausgeplünderte Dörfer und Städte findet, wo man denen Unterthanen Kisten und Kasten aufgeschlagen, sie von allen Lebensmitteln, Vieh und Pferden beraubt und selbige mit Worten und Schlägen auf das übelste tractiret hat? Als das zwischen Düben und Eilenburg gestandene österreichische Corps abgezogen, hat es de dessein prémédité ein considérables grosses Dorf, linker Hand gegen Torgau liegend, mit der Fackel in der Hand reine abgebrannt, und überall, wo ich auf denen Märschen durch die Lausnitz, auch der Gegend Wittenberg gekommen bin, haben mir die Leute mit weinenden Augen geklaget, wie gar übel sie von ihren Helfern, wie sie solche nennen, tractiret worden. Mein innerer grössester Chagrin ist hierbei, dass unsere Leute meinen, dass sie ein gleiches daher zu thun um so mehr berechtiget wären, als sie Sachsen nicht anders wie feindlich ansehen und zum Theil dadurch sich etwas von dem erholen könnten, was sie in ihrem Vaterlande, der Mark und Neumark, bei denen dortigen Invasionen derer Russen und Oesterreicher erlitten. So sehr mich dieses in der Seelen schmerzet, so muss man doch dergleichen betrübte Dinge mit ansehen, die endlich nichts anders als eine totale Desolation derer Länder, Hungersnoth und Pest nach sich ziehen können. Welches<44> am Ende den Frieden eher zuwege bringen muss als die bisher zur Gewohnheit gewordene Art vom Kriege, da man nur gegen ohnschuldige, ohnwehrhafte Unterthanen wüthet, hergegen, sobald man einige Opposition zu finden glaubet, weg- und zurücke laufet.

Nach denen heutigen Nachrichten hat der Württemberger auch Leipzig wieder verlassen, sobald der General Hülsen gestern mit einem Détachement der Gegend näher gerücket ist, und wird Leipzig von den unsrigen wieder occupiret werden. Die Reichsarmee stehet hinter Colditz, und ist zu vermuthen, dass, wenn sie auch der Orten alle mögliche Verwüstung angerichtet haben wird, sie wieder nach Franken laufen dörfte, um dort Winterquartiere zu nehmen. Von Daun will man sagen, dass er die Werke von Torgau ruiniren lasse, und einen Theil seiner Truppen schon auf Meissen und gegen Dresden geschicket habe, dem er auf des Königs Annäherung folgen werde.

Ich habe vergessen, Ew. Excellenz auf Befehl vorhin schon zu melden, wie man von der geschehenen Plünderung der unglücklichen Stadt Landeshut nachher noch die Nachricht gehabt, dass, nachdem Laudon erst von der Stadt 60000 Thaler Contribution gefordert und erhalten, er darauf allererst die cruelle Plünderung derselben befohlen und anstellen lassen.

Ich bin müde, von dergleichen Barbarien mehr zu schreiben, und bitte Ew. Excellenz höchlich um Vergebung, Dieselbe so lange damit fatiguiret zu haben; man höret hier aber fast von nichts anders, und alle auswärtige Nachrichten bleiben aus, dass man also nicht anders wie schwarz sehen kann. Um meine betrübte Gazette zu schliessen, melde nur noch, dass nach unsern letzteren Nachrichten aus Schlesien Laudon mit seinem Corps sich nach Oberschlesien gewandt hat, um eine Belagerung von Cosel zu unternehmen, wohin ihm der General Goltz mit seinem Corps folget. 44-1

So eben bekomme ich die Nachricht, dass heute früh um 11 Uhr Leipzig wieder besetzet worden. Der Generalmajor von Linden hat diese Expedition gehabt. 150 Kroaten nebst einigen Officiers seind bei dieser Stadt gefangen gemachet worden. Die Reichsarmee hat sich auf Rötha44-2 und Borna44-3 zurückgezogen und der Württemberger auf Merseburg und gegen Weissenfeis. Viele Kaufleute und einige Magistratspersonen sollen gedachte Handelsstadt verlassen haben.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



42-3 Vom 31. October ein Schreiben an Voltaire in den Œuvres, Bd. 23, S. 88.

42-4 Vergl. Nr. 12441.

42-5 D. i. der Hauptmann von Cocceji. Vergl. Nr. 12441.

43-1 Liegen nicht bei.

44-1 Vergl. S. 36—38.

44-2 Südl. von Leipzig.

44-3 Südsüdöstl. von Leipzig.