<110>

Während des Kriegs machte der König einige friedliche Erwerbungen. Er kaufte die Grafschaft Tecklenburg in Westfalen vom Grafen Solms-Braunfels (1707). Als die Herzogin von Nemours starb, die im Besitz des Fürstentums Neuchâtel war, übernahm der Staatsrat von Neuchâtel die Regentschaft und erwählte einige seiner Mitglieder zur Prüfung der Rechtsansprüche, die auf der einen Seite der König von Preußen, auf der anderen sämtliche Angehörige des Hauses Longueville erhoben. Das Fürstentum wurde dem König zugesprochen, da er als Erbe des Hauses Oranien das stärkere Recht für sich habe. Ludwig XIV. lehnte sich gegen diesen Schiedsspruch auf, allein er hatte anderwärts so bedeutende Interessen zu verfechten, daß dergleichen kleine Streitfragen daneben belanglos wurden. Durch den Frieden von Utrecht wurde dem preußischen Königshause die Souveränität über Neuchâtel gesichert.

Karl XII. war zu dieser Zeit auf der Höhe seines Glückes angelangt. Er hatte August von Polen entthront und ihm zu Alt-Ranstädt, mitten in Sachsen, seine harten Friedensbedingungen diktiert (1706). Der König von Preußen wollte den Schwedenkönig bewegen, Sachsen zu verlassen. Er sandte seinen Hofmarschall Printzen1 zu ihm und ließ ihn bitten, den Frieden Deutschlands nicht durch seinen und seiner Truppen Aufenthalt zu stören. Karl XII. hatte bereits die Absicht, die Staaten eines Fürsten, den er bis zum äußersten gebracht, zu räumen und in Moskau mit dem Zaren dieselbe Szene noch einmal aufzuführen. Jedoch nahm er es übel, daß Printzen ihm mit einem derartigen Anliegen kam, und fragte ihn ironisch, ob die preußischen Truppen ebenso tüchtig seien wie die brandenburgischen. „Ja, Sire,“ antwortete der Gesandte, „sie setzen sich noch aus den alten Soldaten zusammen, die bei Fehrbellin fochten.“

Den Kaiser2 nötigte Karl XII., als er durch Schlesien kam, den Protestanten des Herzogtums hundertfünfundzwanzig Kirchen wiederzugeben (1707). Der Papst3 murrte darüber und sparte weder Proteste noch Klagen. Josef aber erwiderte ihm: wenn der König von Schweden ihm zugemutet hätte, er solle selber lutherisch werden, so wüßte er auch nicht recht, was dann geschehen wäre.

Dieselben Schweden, die damals der Schrecken des Nordens waren, stellten gemeinsam mit den Preußen und Hannoveranern die Ruhe in Hamburg wieder her, die durch eine Volkserhebung gestört worden war (1708). Friedrich I. schickte 4 000 Mann dorthin, um die Vorrechte der Schöffen und Bürgermeister aufrechtzuerhalten. Auch mit den Kölnern hatte er Händel, und zwar weil dort der Pöbel die Pforten des preußischen Residenten stürmte, der sich eine reformierte Kapelle eingerichtet hatte. Der König ließ Waren, die von Kölner Kaufleuten rheinabwärts geschickt wurden und Wesel passierten, beschlagnahmen und drohte, in seinen Staaten den katholischen Kultus zu verbieten, wie er es auch getan hatte, als der pfälzische Kurfürst4 die


1 Freiherr Marqurd Ludwig von Printzen.

2 Joseph I. (1705 — 1711).

3 Klemens XI.

4 Johann Wilhelm (1690 — 1716).