<117> Die Neutralität des Königs wurde dadurch nicht berührt. Er fuhr fort, zu unterhandeln, um die Geister zu versöhnen und die Unwetter zu beschwören, die sich um seine Staaten zusammenzogen.

Zu Beginn des Jahres 17131 starb Friedrich I. an einer schleichenden Krankheit, die sein Leben seit langem bedroht hatte. Den Abschluß des Friedens und die Wiederherstellung der Ruhe in den Nachbarländern erlebte er nicht mehr.

Er war dreimal vermählt, zuerst mit einer Prinzessin von Hessen2 Sie schenkte ihm eine Tochter3, die den Erbprinzen von Hessen, den jetzigen König von Schweden, heiratete. Sophie Charlotte von Hannover, seine zweite Gemahlin, war die Mutter Friedrich Wilhelms, seines Nachfolgers. Die dritte, eine mecklenburgische Prinzessin, verstieß er, da sie wahnsinnig wurde.

So haben wir alle Ereignisse aus Friedrichs I. Leben an uns vorüberziehen sehen. Es bleibt uns nur noch übrig, einen raschen Blick auf seine persönliche Erscheinung und seinen Charakter zu werfen. Er war klein und verwachsen; seine Miene war stolz, seine Physiognomie gewöhnlich. Seine Seele glich den Spiegeln, die jeden Gegenstand zurückwerfen. Er war äußerst bestimmbar. Daher konnten diejenigen, die einen gewissen Einfluß auf ihn gewonnen hatten, seinen Geist nach Gefallen erregen oder beschwichtigen. Ließ er sich fortreißen, so geschah es aus Laune; war er sanft, so kam das von seiner Lässigkeit. Er verwechselte Eitelkeiten mit echter Größe. Ihm lag mehr an blendendem Glanz als am Nützlichen, das bloß gediegen ist. 30 000 Untertanen opferte er in den verschiedenen Kriegen des Kaisers und der Verbündeten, um sich die Königskrone zu verschaffen. Und er begehrte sie nur deshalb so heiß, weil er seinen Hang für das Zeremonienwesen befriedigen und seinen verschwenderischen Prunk durch Scheingründe rechtfertigen wollte. Er zeigte Herrschepracht und Freigebigkeit. Aber um welchen Preis erkaufte er sich das Vergnügen, seine Passionen zu befriedigen! Er verschacherte das Blut seines Volkes an Engländer und Holländer, wie die schweifenden Tartaren ihre Herden den Metzgern Podoliens für die Schlachtbank verkaufen. Als er nach Holland kam, um die Erbschaft König Wilhelms anzutreten, war er nahe daran, seine Truppen aus Flandern zurückzuziehen. Man lieferte ihm von der Erbschaft einen großen Brillanten aus, und die 15 000 Mann mußten sich im Dienst der Verbündeten umbringen lassen.

Die Vorurteile des Volkes scheinen der fürstlichen Prachtliebe günstig zu sein. Aber es ist ein Unterschied zwischen der Liberalität eines Bürgers und der eines Herschers. Ein Fürst ist der erste Diener und Beamte des Staates4. Ihm schuldet er Rechenschaft über die Verwendung der Steuern. Er erhebt sie, um den Staat durch die Truppen, die er hält, zu schützen, die ihm anvertraute Würde aufrechtzuerhalten,


1 25. Februar 1713.

2 Elisabeth Henriette († 1683).

3 Luise Dorothea Sophie, vermählt mit König Friedrich von Schweden († 1751).

4 Vgl. Bd. VII, S. IX.