<198> Daher geht er vorsichtiger mit seinen Bannflüchen um, seit ihn ein Bannspruch gegen Heinrich VIII. um das Königreich England gebracht hat1. Der katholische und der protestantische Klerus, die einander mit gleich kritischen Blicken beobachten, sind beide gezwungen, wenigstens den äußeren Anstand zu wahren. So bleibt alles im Gleichgewicht. Wohl ihnen, wenn Parteigeist, Fanatismus und blinder Eifer sie nicht zu Kriegen fortreißen, die den Haß auflodern lassen und die unter Christen niemals vorkommen dürften!

Lediglich vom politischen Gesichtspunkte betrachtet, erscheint die protestantische Religion für Republiken wie für Monarchien als die zuträglichste. Sie stimmt am besten zu dem freiheitlichen Geiste, der das Wesen der Freistaaten ausmacht. Denn in einem Staate, der Kaufleute, Bauern, Handwerker und Soldaten, mit einem Wort Untertanen braucht, müssen Bürger, die das Gelübde tun, das Menschengeschlecht aussterben zu lassen, unbedingt gefährlich werden. In den Monarchien ist die protestantische Religion, die von niemandem abhängt, ganz der Regierung Untertan. Dagegen errichtet der Katholizismus im weltlichen Staate des Fürsten einen allmächtigen geistlichen Staat voller Ränke und Kabalen. Die Priester, die die Gewissen beherrschen und kein anderes Oberhaupt haben als den Papst, sind mehr Herren des Volkes als dessen rechtmäßiger Herrscher; und der Papst, der es versteht, die Sache Gottes mit menschlichem Ehrgeiz zu verbinden, hat manchen Streit mit den Fürsten gehabt um Dinge, die durchaus nichts mit der Kirche zu tun hatten.

In Brandenburg wie in den meisten deutschen Staaten ertrug das Volk nur widerwillig das Joch des römischen Klerus. Der Katholizismus legte so wenig reichen Ländern zu große Lasten auf. Fegefeuer, Messen für die Lebenden und Toten, Jubeljahre, Annaten, Ablässe, erläßliche und Todsünden, in Geldspenden umgewandelte Bußen, Ehesachen, Gelübde, Opfergaben — das waren lauter Steuern, die der Papst der Leichtgläubigkeit auferlegte und die ihm ein ebenso festes Einkommen sicherten wie Mexiko den Spaniern. Die Zahler dieser Steuern waren ausgesogen und unzufrieden. Es bedurfte daher gar keiner weiteren Argumente, um sie der Reformtion geneigt zu machen. Sie murrten gegen den Klerus, der sie unterdrückte. Da trat ein Mann auf, der sie zu befreien versprach, und sie folgten ihm.

Joachim II. war der erste Kurfürst, der die lutherische Religion annahm. Seine Mutter, eine dänische Prinzessin2, teilte ihm ihre Anschauungen mit; denn die neue Lehre war in Dänemark eingedrungen, bevor sie in Brandenburg Boden gewann. Das Land folgte dem Beispiele des Herrschers, und ganz Brandenburg wurde protesiantisch. Mathias von Jagow, Bischof von Brandenburg, erteilte das Abendmahl unter beiderlei Gestalt im Kloster der Schwarzen Brüder3. Dies Kloster wurde dann zur Hauptkirche von Berlin. Joachim II. ward zum Verfechter des Protestantismus


1 Vgl. S. 27.

2 Kurfürstin Elisabeth.

3 Vielmehr in dem von Joachim II. erbauten Dom zu Berlin am 1. November 1539.