<70> sein Mißgeschick zur Last, und mit unerhörter Grausamkeit rächte es die Leiden Hollands an den Brüdern de Witt. Wilhelm von Oranien wurde vom Volke tumultuarisch zum Statthalter erwählt1, und der erst zweiundzwanzig Jahre alte Prinz wurde der unermüdlichste Feind, den die Ehrsucht Ludwigs XIV. zu bekämpfen hatte.

Der Kurfürst beeilte sich, dem neuen Statthalter, seinem Verwandten, Hilfe zu bringen. Kaum hatte er seine Truppen gesammelt, so rückte er auf Halberstadt vor, wo Montecuccoli mit 10 000 Kaiserlichen zu ihm stieß. Sogleich setzte er den March nach Westfalen fort. Auf das Gerücht von seinem Nahen verließ Turenne Holland, bemächtigte sich im Klevischen einiger Städte und zog mit 30 000 Franzosen dem Kurfürsten entgegen. Der Bischof von Münster mußte von Gröningen ablassen, und die Franzosen hoben die Belagerung von Maastricht auf: das waren die einzigen Früchte dieser Diversion. Der Kurfürst wollte Turenne schlagen und marschierte geradenwegs den Holländern zu Hilfe. Aber Montecuccoli, der geheimen Befehl hatte, nicht die Offensive zu ergreifen, wollte ihm keineswegs beipflichten. Er brachte alle möglichen schlechten Gründe vor, um ihm seine Absicht auszureden. Da der Kurfürst nicht stark genug war, um mit seinen eigenen Streitkräften vorzugehen, war er gezwungen, sich den Wünschen des Kaisers zu beugen. Er marschierte also in der Richtung auf Frankfurt am Main und ließ den Prinzen von Oranien die Gründe seines Verhaltens wissen. Durch diesen Marsch nötigte er jedoch Turenne, bei Andernach wieder über den Rhein zurückzugehen, und befreite die Holländer von 30 000 Feinden.

Turenne wäre verfolgt worden, wenn es vom Kurfürsten allein abgehangen hätte. Er hatte bereits Anstalten getroffen, um den Rhein bel Nierstein zu überschreiten. Doch Montecuccoli widersetzte sich dem nachdrücklich und erklärte ihm, die Kaiserlichen würden nicht über den Strom setzen. Der Feldzug verlief daher unfruchtbar. Der Kurfürst bezog Winterquartiere in Westfalen.

Die Franzosen machten sich diesen Stillstand zunutze. Turenne ging (1673) Wesel über den Rhein, brachte die Herzogtümer Kleve und Mark in seine Gewalt und drang gegen die Weser vor. Der Bischof von Münster suchte vergebens, sich Bielefelds zu bemächtigen. Man riet dem Kurfürsten, die Entscheidung der Dinge einer Schlacht anzuvertrauen. Der Fürst von Anhalt2 war dieser Meinung und unterstützte sie durch gute Gründe. Er betonte, daß Turenne, wenn er geschlagen würde, wieder über den Rhein zurück müsse. Sollte er aber Sieger bleiben, so könne er die geschlagenen Truppen nicht verfolgen, weil er sich sonst zu weit von der französischen Grenze entfernte. Der Kurfürst neigte sehr zu dieser Auffassung.

Es war an einem Sonntag. Die Minister, die ebensosehr von Furcht vor den Franzosen, wie von Neid auf den Ruf des Fürsten von Anhalt erfüllt waren, stifteten den Prediger an, seine Rede in die Länge zu ziehen. Die Predigt dauerte an


1 Am 8. Juli 1672 wurde Wilhelm III. von Oranien zum lebenslänglichen Generalkapitän und Statthalter der Republik gewählt, am 20. August wurden Jan und Cornelis de Witt vom tobenden Haager Pöbel umgebracht.

2 Vgl. S. 65.