<80> Gegenwall geschützt waren. Ein paar Schanzen waren die einzigen Außenwerke. Bei der heutigen Methode wäre eine so elende Festung nicht imstande gewesen, langen Widerstand zu leisten. Doch nur an Feldkriege gewöhnt, besaßen die kurfürstlichen Truppen damals keine Erfahrung im Belagerungswesen. Sie eigneten sich trefflich für Handstreiche, führten aber zu wenig grobes Geschütz, zu wenig Mörser mit sich, und vor allem fehlte es ihnen an geschickten Ingenieuren.

Stettin kapitulierte am 24. Dezember. Die Besatzung war auf 300 Mann zusammengeschmolzen, und die Berichte aus jener Zeit versichern, die Belagerer hätten vor Stettin 10 000 Mann verloren. Es liegt aber auf der Hand, daß diese Zahl übertrieben ist. Entweder glaubten die Chronisten, eine Belagerung könne nur nach Maßgabe der Menschenzahl, die sie koste, berühmt werden, oder sie wurden selber durch falsche Angaben getäuscht. Die größten Festungen, die mit Mauern, Kasematten und Minen versehen sind und von großen Heeren belagert werden, kommen den Fürsten, die sie erobern, nicht so teuer zu stehen wie dies schlechte Bollwerk den Brandenburgen, wenn jene Chronisten recht hätten. Nach der Einnahme der Stadt zogen die Lüneburger sich in ihr Land zurück.

Die glänzenden Erfolge, die der Kurfürst über seine Feinde errang, riefen am kaiserlichen Hofe nicht den günstigen Eindruck hervor, den man hätte erwarten sollen. Der Kaiser wünschte sich schwache Vasallen und bescheidene Untertanen, nicht reiche Fürsten, machtvolle Kurfürsten. Da das Ziel seiner Politik war, ein despotisches Regiment zu errichten, durfte die Macht der Fürsten ein bescheidenes Maß nicht übersteigen. Sie mußten also in ihrer Ohnmacht erhalten werden. Seine Ratgeber, unter anderen ein gewisser Hocher1, hatten sogar die Unverschämtheit, zu sagen: „Man sieht zu Wien mit Kummer, daß ein neuer König der Wandalen am Ufer der Ostsee emporkommt.“ Man hätte entweder dies Wachstum dulden und dazu schweigen oder aber Mittel und Wege finden müssen, um es zu hindern.

Während so die militärischen Unternehmungen des Kurfürsten eine einzige Folge von Glücksfällen und Triumphen darstellten, gab Ludwig XIV. ganz Europa Gesetze und schrieb ihm Friedensbedingungen vor. Durch den Frieden zu Nymwegen (1678) blieb Frankreich im Besitz der Franche-Comté, die ihm nun für immer angegliedert wurde, eines Teiles von Spanisch-Flandern und der Festung Freiburg. Nachdem der Friede unterzeichnet war, suchte der Prinz von Oranien vergeblich ihn zu brechen. In dem nutzlosen Kampf bei St. Denis triumphierte der Marschall von Luxemburg trotz der List und Treulosigkeit seines Gegners2. Als die Holländer diesen Frieden schlossen, hatten sie nur an sich gedacht und keineswegs an ihre Verbündesten. Friedrich Wilhelm warf ihnen Undank vor. Aber der Sache wurde danach nicht abgeholfen.


1 Der Hofkanzler Hocher.

2 Vier Tage nach der Unterzeichnung des Friedens, am 14. August 1678, hatte Wilhelm III. von Oranien bei St. Denis Luxemburg angegriffen.