<87> verließ das Königreich, aus Parteigeist, aus Haß gegen den Papst und um unter anderem Himmel das Abendmahl in beiderlei Gestalt zu empfangen. 400 000 Seelen gaben so ihr Vaterland auf und ließen all ihre Güter im Stich, um in anderen Tempeln die alten Psalmen Clement Marots kunstlos zu singen. Viele bereicherten mit ihrem Gewerbfleiß England und Holland. 20 000 Franzosen ließen sich in den Staaten des Kurfürsten nieder. Durch ihre Zahl glichen sie einigermaßen den Menschenverlust aus, den der Dreißigjährige Krieg verursacht hatte. Friedrich Wilhelm empfing sie mit all der Teilnahme, die wir Unglücklichen schulden, und mit aller Freigebigkeit eines Fürsten, der zum Heil seines Volkes die Träger nutzbringender Künste fördert. Die Kolonie erfreute sich dauernden Gedeihens und belohnte ihren Wohltäter für seinen Schutz. Das Kurfürstentum Brandenburg brachte seitdem selbst eine Unmenge Waren hervor, die es vorher im Ausland hatte kaufen müssen.

Friedrich Wilhelm merkte wohl, daß seine Barmherzigkeit zur Entzweiung mit Ludwig XIV. führen werde. Da man in Frankreich scheelen Auges sah, daß er den Ausgewanderten eine Freistatt eingeräumt hatte, trat er wieder in engere Beziehungen zum Kaiser und sandte ihm für den Türkenkrieg in Ungarn noch 8 000 Mann unter General Schöning1. Sie beteiligten sich in hervorragendem Maße an der Eroberung von Ofen (1686). Beim allgemeinen Sturm auf die Stadt drangen sie zuerst ein und erwarben sich so einen ausgezeichneten Ruf. Trotzdem gewährte ihnen der Kaiser nach diesem Feldzug keine Quartiere in Schlesien; sie kehrten zurück, um in der Mark Brandenburg zu überwintern. Für die Beihilfe überließ der Kaiser darauf dem Kurfürsten den Kreis Schwiebus, als Entschädigung für seine gerechten Ansprüche2.

Die Aufnahme der Franzosen in Berlin und die Unterstützung des Kaisers durch den Kurfürsten brachten Ludwig XIV. vollends gegen ihn auf, sodaß er sich weigerte, die jährlichen Subsidien weiterzuzahlen, die er seit dem Frieden von St. Germain entrichtete.

Ganz offen verletzte Ludwig XIV. indessen den Waffenstillstand, den er mit dem Kaiser geschlossen hatte. Zur Rechtfertigung seines Vorgehens behauptete er, es gelte nun den Geist des Vertrags von Nymwegen zu erfüllen. Er bemächtigte sich vieler Städte in Flandern. Er nahm Trier und schleifte die Festungswerke. In Hüningen dagegen ließ er den Ausbau der Befestigungen kräftig betreiben. Die Ansprüche der pfälzischen Prinzessin Elisabeth Charlotte, der Gemahlin des Herzogs von Orleans, auf einige pfälzische Ämter3 hielt er aufrecht, obwohl die Prinzessin in ihrem Ehevertrag auf diese Anrechte verzichtet hatte. Ein so unternehmender


1 Feldmarschall Hans Adam von Schüning.

2 Die Abtretung von Schwiebus war von dem Kurfürsten ausbedungen in dem geheimen Defensivbündnls, das er mit Leopold I. am 22. März:686 abschloß. Für die Rückgabe von Schwiebus durch seinen Nachfolger Friedrich III. vgl. S. 100.

3 Es handelt sich um den Allodialnachlaß ihres Bruders, des 1685 ohne Erben gestorbenen Kurfürsten Karl von der Pfalz.