<11> nur deshalb keine bösen Folgen gehabt hatte, weil der König mit einer einzigen Armee operierte und daher nicht zu vielen Detachierungen genötigt war. Auch waren die österreichischen Truppen und Generale, mit denen man kämpfte, nur mittelmäßig und ließen die taktischen Regeln völlig außer acht. So war es für den König denn ein großer Gewinn, daß er aus Rußland den Marschall Keith1 in seine Dienste zog. Das war ein Mann von angenehmen Umgangsformen, sittenrein und tüchtig, erfahren in seinem Beruf und bei feinster Lebensart von heroischer Tapferkeit in der Schlacht.

Das Artilleriekorps wurde verstärkt. Der König brachte es auf drei Bataillone. Das letzte wurde für die Garnisonen bestimmt. Das Korps war gut einexerziert und in vortrefflichem Zustand, aber nicht stark genug bei dem riesigen Aufwand an Artillerie und Feuerschlünden, der bald in den Armeen Mode wurde. Dazu hätte es der doppelten Anzahl bedurft. Da aber die massenhafte Verwendung von Artillerie in den bisherigen Kriegen nicht gebräuchlich war und die zwei Bataillone allen Ansprüchen genügt hatten, so dachte man gar nicht an ihre Vermehrung.

Während des Friedens wurde Schweidnitz befestigt, und die Festungswerke in Neiße, Kosel, Glatz und Glogau wurden ausgebaut. Schweidnitz wurde zum Depot für die Armee bestimmt, für den Fall, daß der Krieg sich über die Grenze nach Böhmen hinüberspielen sollte. Da die Österreicher sich im letzten Kriege wenig gewandt im Angriff und der Verteidigung fester Plätze gezeigt hatten, so begnügte man sich mit ganz leichter Befestigung. Das war indes ein Rechenfehler; denn Festungen soll man nicht für eine gewisse Zeit, sondern für die Dauer anlegen. Und wer bürgte denn auch dafür, daß die Kaiserin-Königin nicht irgendeinen geschickten Ingenieur in ihre Dienste zog, der der österreichischen Armee die ihr fehlende Kunst lehrte, ja sie zum Allgemeingut machte? Später sollte man Grund genug haben, die begangenen Fehler zu bereuen und künftig genauer zu überlegen.

Dagegen sah man voraus, daß es zum Kriegführen noch nicht genügt, wenn eine Armee in gutem Zustand und gut unterhalten ist, sondern daß man auch große Reservevorräte zu ihrer Bewaffnung und Bekleidung, sozusagen zu ihrer Wiederherstellung braucht. Aus dem Grunde wurde aller mögliche Kriegsbedarf, Sättel, Steigbügel, Zaumzeuge, Stiefel, Patronentaschen, Degengehänge usw. aufgespeichert. Im Berliner Zeughause lagerten 50 000 Flinten, 20 000 Säbel, 12 000 Degen, ebenso viele Pistolen, Karabiner und Wehrgehenke, kurz, Ausrüstungsgegenstände aller Art, die fortwährender Erneuerung bedürfen, und zu deren rascher Lieferung die Zeit nicht immer ausreicht. Ferner hatte man zahlreiches Belagerungsgeschütz gießen lassen, insgesamt 80 Kanonen und 20 Mörser, die in der Festung Neiße lagen. Die hergestellten Pulvervorräte beliefen sich auf 56 000 Zentner, die auf die verschiedenen festen Plätze des Königreiches verteilt waren. Die Vorratsmagazine enthielten 36 000 Wispel


1 Jakob Keith, aus altem schottischen Geschlechte (1696—1758).