<119> Interessen des Königs entgegenkamen. Das war der einzige Grund, warum die Russen am Ende des Feldzuges aus Ostpreußen abzogen1.

Auch wurde Bestushew in seinem Benehmen bestärkt durch die Ratschläge des russischen Thronfolgers und seiner Gemahlin, die beide der Sache des Königs sehr günstig gesinnt waren. Der Großfürst-Thronfolger, ein geborener Prinz von Holstein, hatte aus der Geschichte seiner Vorfahren unversöhnlichen Haß gegen Dänemark geschöpft 2, der sich auf die schreienden Ungerechtigkeiten der dänischen Könige gegen seine Familie gründete. Da der Großfürst nun fürchtete, die Lage des Königs könnte eine Wendung nehmen, die ihn zu einem Bündnis mit Dänemark nötigte, so bot er ihm seinen Einfluß und jeden Dienst an, den er ihm in Rußland irgend erweisen könnte, falls der König keine Verbindung mit den Erbfeinden des Hauses Holstein einginge. Der König nahm das Anerbieten an und versprach, keinen Vertrag mit Dänemark zu schließen3. Obgleich ihm seine Gefälligkeit vor der Hand keine wirklichen Vorteile einbrachte, wird man doch im weiteren Verlauf dieses Buches erkennen, daß gerade die enge Verbindung mit dem Großfürsten von Rußland die weittragenden Pläne der Österreicher über den Haufen warf.

So geheim diese Dinge indes auch betrieben wurden, so sickerte doch etwas durch. Die Gesandten Frankreichs und Österreichs merkten einen Wechsel im Verhalten des Großkanzlers, bekamen Wind von den Befehlen, die er dem Feldmarschall Apraxin gesandt hatte, und bedienten sich nun des Günstlings der Kaiserin, Iwan Schuwalow, um den Großkanzler zu stürzen4 und dem jungen Hofe alle möglichen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Von dem Augenblick an lag alles in Rußland vor den beiden Gesandten auf den Knien, und sie verstrickten die Kaiserin Elisabeth in gewaltsame Maßnahmen, die den wahren Interessen des Zarenreiches wenig entsprachen.

Der Wiener Hof hatte am Ende des letzten Feldzuges so schwere Schläge erlitten, daß seine Standhaftigkeit zu wanken begann. Schon hatte er sich in dem Glauben gewiegt, dicht vor Beendigung des Krieges zu stehen. Die Eroberung Schlesiens galt ihm bereits als vollendet. Da wurde er unversehens aus seinem schmeichelnden Wahne gerissen: seine Armee wurde vernichtet, und ihre Trümmer konnten sich mit knapper Not nach Böhmen retten. Der unerwartete Schicksalsschlag dämpfte die Kriegslust des Wiener Hofes. Nach dem Scheitern so vieler Pläne war er dem Frieden nicht mehr so abgeneigt, und sein Widerwille dagegen war nicht mehr so unüberwindlich. Der Stil seiner Kanzlei und die Regensburger Schriftstücke wurden milder. Kaum aber zeigte sich wieder einige Hoffnung, so war auch die Bitterkeit und Grobheit wieder da.


1 Der Entschluß zum Rückzug (vgl. S. 113) war allein durch militärische Notwendigkeit bedingt, da die Russen eine neue Schlacht nicht wagten, ohne diese aber sich nicht in Ostpreußen halten konnten.

2 Wegen der dem Hause Holstein-Gottorp von Dänemark vorenthaltenen Ansprüche auf Schleswig.

3 Für diese Angabe findet sich in den Akten keine Bestätigung.

4 Großfürst Peter vielmehr führte den Sturz Bestushews (25. Februar 1758) herbei, da der Kanzler im Einvernehmen mit der Großfürstin Katharina plante, beim Tode der Kaiserin Elisabeth die Krone mit Übergehung des Großfürsten an dessen Sohn, den dreijährigen Paul Petrowitsch, fallen zu lassen.