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Solange der erste Eindruck des Unglücks dauerte, wollte sich die Kaiserin-Königin dem König wieder nähern, sei es, um Verhandlungen anzuknüpfen, sei es, um einen Schein von Großmut zu zeigen. Graf Kaunitz benachrichtigte den König von einer fingierten Verschwörung gegen ihn, die zwei Neapolitaner und ein Mailänder angezettelt haben sollten. Der König ließ ihm durch den Grafen Finck antworten, er sei der Kaiserin für die Nachricht, die sie ihm gütigst erteilt hätte, sehr verbunden. Es gäbe jedoch zwei Arten von Meuchelmord, eine durch den Dolch, die andere durch entehrende Schmähschriften. Er versicherte der Kaiserin, daß er sich aus der ersten Art wenig mache, gegen die zweite jedoch sehr viel empfindlicher sei1. Dessenungeachtet blieb die Unanständigkeit und Anstößigkeit jener Schriftstücke die gleiche. Ja, sobald das Kriegsglück die österreichischen Waffen begünstigte, nahm sie noch zu.

Mit lebhaftem Kummer erfuhr Frankreich von den friedlichen Neigungen der Kaiserin-Königin. Wäre doch ihr Abfall von der Allianz seinen eigenen Geschäften äußerst nachteilig gewesen. Denn solange Frankreich zur See mit England und in Deutschland Krieg führte, hoffte Ludwig XV. die Schande von Roßbach immer noch rächen zu können. Die französischen Minister suchten also die nachlassende Leidenschaft des Wiener Hofes geflissentlich anzuschüren. Die Schande, daß eine Großmacht von einem kleinen Fürsten geschlagen war, machte auf die Kaiserin den stärksten Eindruck. Die alte Gehässigkeit gegen Preußen erwachte, die friedliche Stimmung verflog, und die Bande der Freundschaft und des Einverständnisses zwischen den Höfen von Wien und Versailles knüpften sich enger denn je. Weit entfernt also, die gegen Preußen kämpfenden Mächte abzuschrecken, verdoppelten die preußischen Erfolge nur die Kriegslust der Feinde. Sie boten alles auf, um bei Beginn des neuen Feldzuges furchtbarer und gefährlicher denn je auf dem Kampfplatz zu erscheinen.

Auch der König von Preußen traf während des Winters geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung seiner Armee, damit sie zu tatkräftigem Vorgehen imstande war. Es galt, die Lücken auszufüllen, die sieben Feldschlachten in seine Truppen gerissen hatten. Aber alle Verluste im Kriege reichten doch nicht an die Zahl Derer heran, die ansteckenden Krankheiten in den Lazaretten erlagen. Eine Art hitzigen Fiebers war ausgebrochen, begleitet von allen Symptomen der Pest. Am ersten Tage der Krankheit befiel die Kranken ein Delirium. Sie bekamen Beulen am Halse und in der Achselhöhle, und ob die Ärzte sie zur Ader ließen oder nicht, der Tod raffte doch unterschiedslos alle dahin, die von der Seuche befallen wurden. Ja der Giftstoff war so stark, die


1 Nach dem Schreiben des Grafen Kaunitz vom 17. Januar 1758 hatte ein Weinhändler aus Boulogne auf die Nachricht von der Schlacht bei Leuthen ausgerufen: „Findet sich denn kein Dolch, der den König von Preußen aus der Welt befördert?“ Der Mann hatte sein Testament gemacht und war Verschwunden. In der vom König eigenhändig entworfenen Antwort, die Finckenstein in seinem Namen am 25. Januar an Kaunitz richtete, heißt es: „Wir verdanken dem aufgeklärten und gesitteten Jahrhundert, in dem wir leben, den Abscheu vor Meuchelmord. Es stände zu wünschen, daß unser Jahrhundert auch die Bitterkeit unziemlicher Federn gesänftigt hätte, die sich in öffentlichen Schriften oft der beleidigendsten Ausdrücke gegen große Fürsten bedienen.“ Vgl. S. 60.