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6. Darlegung der Gründe, die Se. Majestät den König von Preußen gezwungen haben, den Anschlägen des Wiener Hofes zuvorzukommen1
(August 1756)

Seit dem Abschluß des Dresdener Friedens hat der Wiener Hof mit allen Mitteln geflissentlich darauf hingearbeitet, diesen Frieden zu erschüttern oder zu brechen. Sowohl auf offenen wie auf geheimen Wegen strebte er diesem Ziele zu.

Nach Artikel 8 des Breslauer Friedens, der durch den Dresdener Frieden erneuert wurde, sollte der Handel zwischen Österreich und Schlesien „auf dem Fuße bleiben, auf dem er sich im Jahre 1739 vor dem Kriege befand, bis eine neue Vereinbarung getroffen würde“. Der Wiener Hof, der seine Verträge nur so lange gewissenhaft erfüllt, als man ihn mit Waffengewalt dazu zwingt2, begann 1753 auf alle in Schlesien hergestellten Erzeugnisse einen Zoll von 30 Prozent zu legen. Ja, ungeachtet der Vorstellungen mehrerer preußischer Kommissare, die zu dem Zweck eigens nach Wien geschickt wurden, erhöhte er den Zoll auf 60 Prozent, kaum daß er in diesem Jahre den Versailler Vertrag3 unterzeichnet hatte.

Dies unfreundliche, ja schroffe Gebaren, das gegen Treu und Glauben der Verträge verstößt, war eine Nichtachtung des von allen europäischen Mächten garantierten Friedens und hätte einem ehrgeizigeren Fürsten als dem König von Preußen als triftiger Vorwand zum Kriege dienen können. Wir gehen jedoch darüber hinweg;


1 Das obige Manifest gegen Österreich ist das Werk des Königs, mit Ausnahme des vom Minister Grafen Finckenstein angefertigten Auszuges aus der zweiten Wiener Antwort. Für die erste Hälfte, die bis zu diesem Auszug reicht, und für den Schluß hat Friedrich fünf Entwürfe verfaßt, den ersten (vgl. S. 165) gegen den 20. Juli, den letzten, der dann nur noch geringfügige Änderungen erfuhr, um die Mitte des August 1756. Ebenso liegen für die Kritik der zweiten Wiener Antwort zwei eigenhändige Entwürfe Friedrichs (unter dem Titel: „Bemerkungen zur Antwort des Wiener Hofes“) vor. Der zweite ist gleichfalls fast unverändert in das obige Manifest übernommen. Dieses selbst wurde erst nach Eingang der dritten Wiener Antwort (vgl. S. 178 Anm. 2) am 12. September 1756 veröffentlicht.

2 Anmerkung im Manifeste: „Die Holländer wissen, wie die Kaiserin den Barrieretraktat erfüllt hat.“ Vgl. Bd. II, S. 83 Anm. 1.

3 Vgl. S. 34.