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Die Königin von Ungarn stachelt ihrerseits alle Reichsfürsten munter gegen Preußen auf. Sie zieht alle ihre Streitkräfte in Böhmen zusammen und will dort ein Heer von 130 000 Mann aufbringen, um den König von Preußen zu Boden zu schlagen. Ferner intrigiert sie in Rußland und allerorten, um dem König Feinde zu machen.

Das ist kurz und bündig die jetzige Lage Europas. Bevor ich auf die geeigneten Maßnahmen zur Abwehr so verderblicher Pläne näher eingehe, ist eine kurze Untersuchung nicht unangebracht, was wohl im vergangenen Feldzuge zu den Fortschritten der Franzosen am meisten beigetragen hat. Unzweifelhaft kommt ihre Seemacht weder an Zahl noch an Güte der englischen gleich. Fest steht, daß es beiden Mächten an Hilfsquellen bisher nicht fehlt. Wenn aber ein guter Verbündeter, der als wahrer Staatsbürger denkt, es sich herausnimmt, mit republikanischer Offenheit zu reden, so darf er wohl seine Vermutungen über die Gründe der französischen Erfolge äußern.

Ihm scheint, soweit er unterrichtet ist, daß England zweierlei außer acht gelassen hat. Erstens hat es die Gefahr, die Minorka und seinen amerikanischen Kolonien drohte, nicht rechtzeitig vorhergesehen, und zweitens hat es sich durch die Demonstrationen der Franzosen am Kanal irreführen lassen. Was den ersten Punkt betrifft, so ist es Sache eines tapferen und erfahrenen Mannes, die Gefahr vorherzusehen, selbst wenn sie nicht unmittelbar bevorsteht; denn für Unglücksfälle, die man zu spät voraussieht, gibt es keine Abhilfe mehr. Was den zweiten Punkt betrifft, so läuft man nach einer zuverlässigen Kriegsregel bei offensivem Vorgehen weniger Gefahr, als wenn man sich in der Defensive hält. Hätten also die Engländer irgend eine Unternehmung gegen ihre Feinde ins Werk gesetzt und mit Glück durchgeführt, so hätte dieser Gewinn auf der einen Seite sicher den Verlust auf der anderen aufgewogen. Außerdem verliert man beim Ergreifen der Offensive nichts, sondern gewinnt fast stets.

Jetzt, wo noch Zeit ist, für die Zukunft zu sorgen, wo ganz Europa, insbesondere England und Deutschland, sich in einer kritischen Lage befindet, aus der sich die Alliierten nur befreien können, wenn sie die rechten Maßregeln ergreifen, die ihnen im nächsten Jahre kraftvolleres Handeln erlauben, hört man nicht ohne tiefe Betrübnis von den inneren Unruhen und dem Geiste der Zwietracht, der in England herrscht1. Ist jetzt der richtige Augenblick, um sich über Kleinigkeiten zu streiten, wo die Freiheit Europas auf dem Spiele steht? Wo es sich fragt, ob England seine Kolonien behalten wird, die bisher der Quell seines Reichtums waren? Ob Deutschland und der Protestantismus weiterbestehen werden? Ob schließlich der König von England sein Kurfürstentum, seine Alliierten ihre Staaten und das Menschengeschlecht die Gedankenfreiheit behalten wird? Kann jemand sich einen Staats-


1 Anspielung auf die Krise innerhalb des englischen Ministeriums, die am 11. November 1756 zum Rücktritt des Herzogs von Newcastle führte (vgl. S. 60).