<59>zetteln. Ein unbekannter Fanatiker, früher Diener in einem flandrischen Jesuitenkloster, hatte den Plan gefaßt, Ludwig XV. zu ermorden. Der Elende, namens Damiens, begab sich nach Versailles und erspähte den rechten Augenblick zur Ausübung seines scheußlichen Vorhabens. Eines Abends, als der König nach Choisy fahren wollte, schleicht der Tolle sich unter die Menge, nähert sich dem König von hinten und stößt ihm sein Messer in die Seite1. Er wurde auf der Stelle ergriffen. Die Verwundung des Königs stellte sich als leicht heraus. Der Verbrecher kam vor das Parlamentsgericht, und die Gefängnisse füllten sich mit Leuten, die er durch seine Angaben belastete. Sie wurden aber wieder in Freiheit gesetzt, da sich ihre Unschuld herausstellte. Bis heute ist die öffentliche Meinung noch ziemlich im unklaren über die Gründe, die das Scheusal zu seinem schändlichen Attentat bewogen haben.

Der Wiener Hof, der in Versailles so große Erfolge hatte, stachelte ebenso geflissentlich die übrigen europäischen Mächte auf. In Petersburg malte er den Einmarsch der Preußen in Sachsen mit den schwärzesten Farben. Das sei eine Beleidigung Rußlands, eine Brüskierung seiner Macht, ja eine offenbare Verachtung der Garantien, die die Kaiserin Elisabeth dem König von Polen für sein Kurfürstentum gegeben hatte. Um die Wirkung dieser Einflüsterungen zu erhöhen, halfen die Österreicher in Petersburg mit Verleumdungen Preußens und mit den nötigen Geldsummen kräftig nach. Zur Beschleunigung des Ausmarsches der russischen Truppen versprach die Kaiserin-Königin der Zarin Elisabeth jährliche Subsidien im Betrage von zwei Millionen Talern. Eigentlich bezahlte Frankreich diese Summe an Österreich als Entschädigung für das Truppenkontingent, zu dem es sich dem Wiener Hofe gegenüber verpflichtet hatte. Österreich aber benutzte das Geld als Subsidienzahlung an Rußland, um die Zarin zur Kriegserklärung gegen Preußen zu bringen2.

Auch in Regensburg waren die Gesandten der Kaiserin-Königin eifrig bemüht, die deutschen Reichsstände in die Kriegswirren zu verwickeln. Zugleich schüchterten die Franzosen den Reichstag durch Drohungen ein, sodaß er sich blindlings dem Willen des Wiener Hofes beugte. Der Reichstag beschloß die Aufstellung einer Exekutionsarmee, die schnurstracks in die Mark Brandenburg eindringen sollte. Den Oberbefehl erhielt der Prinz von Hildburghausen3, ein österreichischer Feldmarschall. Dann trat der Reichsfiskal auf und behauptete, die Könige von Preußen und England müßten in die Reichsacht erklärt werden. Dagegen wandten einige Fürsten ein, man habe zwar einmal über den Kurfürsten von Bayern die Reichsacht verhängt, aber erst, nachdem er die Schlacht von Höchstädt verloren hatte4. Wenn erst die kaiserlichen Heere ähnliche Siege erfochten hätten, stände das gleiche Verfahren gegen die beiden


1 5. Januar 1757.

2 Nachdem Rußland am 11. Januar 1757 der Versailler Allianz von 1756 beigetreten war, schloß es am 2. Februar 1757 eine Allianz mit Österreich ab, in der beide Mächte sich für die Dauer des Krieges zu gegenseitiger Unterstützung verpflichteten.

3 Prinz Joseph von Sachsen-Hildburghausen.

4 Den Kurfürsten Maximilian II. Emanuel traf 1706 nach der Niederlage bei Höchstädt (13. August 1704) die Reichsacht.