<118>

15. Kapitel

Der Winter von 1761 auf 1762.

Aus der Darstellung des letzten Feldzuges ersahen wir, welche Schicksalsschläge Preußen trafen und welche ihm noch drohten. Aber gerade im kritischsten Augenblick, als das Waffenglück den Preußen untreu wurde, blitzte ein Hoffnungsstrahl auf und ließ, wenn auch ungewiß, neue Rettungsmittel ahnen.

Im Monat Oktober, nach dem Verlust von Schweidnitz, als die Armee des Königs bei Strehlen stand, als in Pommern die Russen Kolberg und zugleich das Korps des Prinzen von Württemberg belagerten, erhielt der König eine Gesandtschaft des Tartaren-Khans1. Der Gesandte war der Barbier seines Herrn. Das mag denen seltsam vorkommen, die das Hofzeremoniell blendet und die die Sitten fremder Völker nur an den europäischen Gebräuchen messen. Bei den orientalischen Völkern jedoch ist es nichts Ungewöhnliches. Dort ist der Adel unbekannt, und die gelten für die Höchsten, die der Person des Herrschers am nächsten stehen. Der genannte Barbier oder Gesandte überreichte also sein Beglaubigungsschreiben, dessen Stil sich vom deutschen Kanzleistil nur durch eine andere Art von Lächerlichkeit unterschied. Der Zweck der Gesandtschaft war, dem König ein Bündnis mit den Tartaren anzutragen und ihm 16 000 Mann Hilfstruppen für eine noch zu bestimmende Subsidienzahlung zu überlassen. In seiner gegenwärtigen Lage konnte der König ein solches Anerbieten nicht abschlagen. Er nahm es nicht nur an, sondern ließ dem Barbier, um Zeit zu gewinnen, auch Entwürfe zu Bündnis- und Subsidienverträgen vorlegen. Überhäuft mit Geschenken für sich und seinen Herrn, kehrte er in Begleitung des jungen Goltz zurück. Der sollte die Vollziehung der Abmachungen beschleunigen und das tartarische


1 Nachdem Friedrich Ende September 1761 einen Holländer, Karl Adolf Boscamp, nach der Krim geschickt hatte, der die Tartaren zum Kriege gegen Rußland oder Österreich bestimmen sollte, erschien gegen Mitte November Mustapha Aga, der Leibarzt des Groß-Khans der Krimtartaren, Kerim Geray Khan Effendum, im Lager von Strehlen und bot die Unterstützung „mit einem Korps von 60 000 oder 80 000 Tartaren“ an, „wann der König mit der Armee sich etwas gegen Warschau näheren könnte“. Auf Wunsch des Khans begleitete ihn ein Offizier aus Friedrichs Umgebung, der Quartiermeister-Leutnant Freiherr Karl Alexander von der Goltz, zurück nach Bachtschisarai, der Residenz Kerims, um über den Feldzugsplan weitere Abrede zu treffen.