<169>

Letztes Kapitel

Der Friede.

Kaum hatten die Truppen Kantonnementsquartiere bezogen, als Fritsch169-1, Geheimer Rat des Königs von Polen, nach Meißen kam, wo der König sein Hauptquartier hatte. Da Fritsch Güter in der Umgegend besaß, so erschien seine Ankunft nicht auffällig. Er erbat und erhielt eine Audienz beim König (29. November). Nach einigen Gemeinplätzen über das Unheil des Krieges und die Segnungen des Friedens kam er mit der Sprache heraus und sagte, der Friede sei vielleicht nicht so fern, wie man glaube. Er selbst habe sogar einige Aufträge, mit deren Ausrichtung er nur gezögert habe, da er nicht wisse, ob sie nicht ungünstig aufgenommen würden.

Der König erwiderte, seine Feinde hätten ihn zum Kriege gezwungen, sich bisher dem Frieden widersetzt oder ihn unter allerlei Vorwänden abgelehnt. Wenn man also die Unruhen in Deutschland zu beenden wünsche, so möge man sich nicht an ihn wenden, sondern an die, die die Wirren erregt und unterhalten, ja deren Feindseligkeit und Erbitterung in dem Maße zugenommen hätten, als sie bei der Ausführung ihrer verderblichen Pläne auf Widerstand und Hindernisse gestoßen wären. Hierauf überreichte Fritsch dem König einen Brief des Kurprinzen169-2, worin es hieß, dem Kurprinzen läge die Ruhe Europas am Herzen, und er hätte sich alle Mühe zu ihrer Wiederherstellung gegeben. Zu dem Zweck hätte er die Gesinnung der Kaiserin-Königin erforschen lassen und sie vollkommen zum Frieden geneigt gefunden. Da es also nur noch auf die Zustimmung des Königs von Preußen ankäme, um die Zwistigkeiten der kriegführenden Mächte beizulegen, so bäte er Seine Majestät, sich über diesen Gegenstand zu äußern.

Nachdem der König den Brief gelesen hatte, rief er Fritsch das ganze Betragen des Wiener Hofes während des Krieges in Erinnerung und sagte, es sei eine alte Gepflogenheit dieses Hofes, erst nach seinen Verbündeten Frieden zu schließen, wie so<170> viele Beispiele aus der Geschichte lehrten. Deshalb schiene ihm die Friedensneigung der Kaiserin jetzt auch nicht aufrichtig. Lediglich um sich keine Vorwürfe machen zu müssen, daß er Eröffnungen zurückgewiesen habe, die vielleicht zur Beendigung dieses verhängnisvollen Krieges führen könnten, erkläre er, der König: obwohl er mit gutem Recht Entschädigung für die in seinen Ländern begangenen Greueltaten und Verwüstungen fordern könne, so wolle er doch aus Friedensliebe davon absehen, aber nur unter der Bedingung, daß keiner seiner Feinde solche Entschädigung von ihm fordere; denn er sei fest entschlossen, das, was er bisher mit dem Schwerte verteidigt hätte und noch weiter zu verteidigen sehr wohl imstande sei, nicht durch einen Federstrich zu verlieren. „Hat also das Haus Österreich“, so schloß er, „ernstlich die Absicht, mit mir zu unterhandeln, so ist es zur Vermeidung aller Mißverständnisse und zweideutigen Auslegungen nötig, daß wir uns zuvor über die Grundlagen der Verhandlung einigen. Ich sehe nur drei, die zum erwünschten Ziel führen können, nämlich: ein billiger Friede, der keine der kontrahierenden Mächte beeinträchtigt, zweitens ehrenvolle Bedingungen für beide Teile und drittens dauerhafte Befestigung des Friedens durch wohlbedachte Maßregeln.“

Aus der Antwort des Königs ersah Fritsch, daß er vor allem sein Mißtrauen gegen die ehrlichen Absichten des Wiener Hofes zerstreuen müsse. Um ihn vollends von der Geneigtheit der Kaiserin zum Frieden zu überzeugen, teilte er ihm einen Bericht aus Wien mit, den Gaul, der dortige sächsische Geschäftsträger, eben an den Kurprinzen geschickt hatte170-1. Nach diesem Bericht hatte Graf Kaunitz Gaul bestimmte Versicherungen gegeben, daß die Kaiserin den Krieg schnell zu beenden wünsche. Aber es standen auch grobe Unwahrheiten darin. So versicherte Graf Kaunitz dem sächsischen Geschäftsträger, die Kaiserin habe dem König von Preußen zweimal den Frieden angeboten, erst durch Frankreich, dann durch England170-2, und die Ablehnung des Königs rechtfertige die von ihr getroffenen Maßregeln zur Weiterführung des Krieges. Die Behauptung war notorisch falsch und erfunden. Nie hatte der Wiener Hof dem König derartige Anerbietungen gemacht, weder durch Frankreich noch auch durch England. Dieser Anfang versprach nichts Gutes. Denn was war von einer Unterhandlung zu hoffen, die mit Falschheiten und Lügen begann? Da aber Kleinigkeiten oft den größten Dingen schaden, so mußte der König über die Mitteilungen des Grafen Kaunitz an den sächsischen Geschäftsträger hinweggehen und nur die Gründe prüfen, aus denen die Kaiserin wohl den Frieden wünschen konnte. Er mußte sich<171> überzeugen, ob diese Gründe so gewichtig und stichhaltig waren, daß sie ihr einigen Eindruck gemacht hatten.

In der Tat waren 100 000 Türken an der ungarischen Grenze171-1 sehr geeignet, auch dem kriegswütigsten Staatsrat friedliche Gesinnungen einzuflößen. Dazu kam der Abfall der Russen und Schweden, von denen die ersteren sogar eine Weile mit den Preußen gefochten hatten. Auch wenn man in ihnen keinen neuen Feind zu befürchten hatte, blieben sie doch alte Freunde des Königs, und damit fielen immerhin einige Diversionen gegen Preußen weg. Mußte man in Wien nicht auch in Betracht ziehen, daß die größten deutschen Fürsten eben ihren Separatfrieden mit Preußen schlossen171-2? Denn woraus bestand die Reichsarmee, wenn nicht aus deren Truppen? Andrerseits waren die Präliminarien zwischen Frankreich und England unterzeichnet171-3, und die Franzosen hatten sich zur sofortigen Zurückziehung ihrer Truppen aus Deutschland verpflichtet. Auf dem großen Kampfplatze waren also nur noch die Kaiserin und der König verblieben, wie zwei auf Leben und Tod miteinander Ringende, die von ihren Mitstreitern verlassen worden sind. Soviel von den politischen Gründen.

Auch die inneren Zustände im Staatswesen boten nicht minder starke Gründe: die Entmutigung durch die Mißerfolge des letzten Feldzuges, die unendlichen Schwierigkeiten, das zur Kriegführung erforderliche Geld aufzutreiben, die Uneinigkeit unter den Generalen, die Zwistigkeiten unter den Ministern, die Zerwürfnisse in der kaiserlichen Familie, die schwankende Gesundheit des Kaisers und vielleicht auch die Unwahrscheinlichkeit, allein und ohne Beistand mit Preußen fertig zu werden, nachdem es mit Hilfe so vieler Bundesgenossen nicht gelungen war, den Gegner zu demütigen und zugrunde zu richten.

Die militärischen Gründe waren ebenso triftig wie die oben angeführten. Dresden war schlecht verproviantiert. Die böhmischen Magazine waren teils leer, teils durch den Kleistschen Einfall171-4 zerstört. Das alles erregte natürlich in Warschau und Wien die Befürchtung, Dresden möchte bei Beginn des nächsten Feldzuges von den Preußen erobert werden. Wenn Böhmen dann auch nicht den Kriegsschauplatz abgab, so war es doch den Einfällen der preußischen Truppen ausgesetzt.

Alle diese Gründe überzeugten den König von der Ehrlichkeit der Friedenswünsche des Wiener Hofes. Nach reiflicher Erwägung erteilte er Fritsch eine günstige Antwort und übergab ihm zugleich ein Schreiben an den Kurprinzen171-5, worin er diesem für die Mühe dankte, die er sich zur Versöhnung der Gemüter gegeben hätte, und ihm<172> versicherte, er werde seinerseits gern zur Wiederherstellung des Friedens beitragen, soweit es ihm seine Ehre gestatte.

Bald darauf verließ der König Meißen und besichtigte die Kette der Winterquartiere an der böhmischen und Reichsgrenze. Dann begab er sich nach Leipzig, wo er für den Winter sein Hauptquartier aufschlug. Einige Tage nach der Ankunft des Königs erschien Fritsch abermals bei ihm mit der Antwort des Wiener Hofes über die Grundsätze, die bei der Unterhandlung maßgebend sein sollten172-1. Die Denkschrift war voll schwülstiger, rätselhafter, dunkler und für jeden andern als Kaunitz unverständlicher Ausdrücke. Zum Glück hatte Graf Flemming, der sächsische Gesandte in Wien, diesen Text durch einen langen Brief kommentiert, worin er die Dunkelheiten des österreichischen Kanzleistils erklärte. Er verbürgte sich für die Aufrichtigkeit der Gesinnung der Kaiserin und für ihre volle Zustimmung zu allen etwa von ihr geforderten Entschädigungen für das durch den Krieg zerrüttete Sachsen. Immerhin bereitete er den König vorsichtshalber auf einige Umstände und äußerliche Umschweife von seiten der Österreicher vor; denn die kaiserliche Würde verlange, daß man alles nur gezwungen tue und die Sache durch unnütze Schwierigkeiten in die Länge ziehe, bevor der Wiener Hof endgültig auf die Bedingungen eingehe, die er schon jetzt stillschweigend annehme. Nach dieser Antwort waren die Parteien über die Grundlage einig, und der Friede konnte in der vom König gewünschten Weise geschlossen werden.

Was den König betraf, so zog er aus vielerlei Gründen bescheidene und maßvolle Friedensbedingungen größerem Gewinn vor. Ein Heraufschrauben der Forderungen war in der jetzigen Lage um so weniger ratsam, als man Entschädigungen nur durch Siege hätte erkämpfen können und die Armee zu zerrüttet und heruntergekommen war, um noch glänzende Taten mit ihr zu vollbringen. An guten Generalen und tüchtigen Detachementsführern herrschte Mangel. Die alten Offiziere waren in vielen mörderischen Schlachten für das Vaterland gefallen. Der Nachwuchs war noch blutjung und so unreif, daß man keine großen Erwartungen darauf setzen konnte. Die alten, verdienten Soldaten und Vorkämpfer waren gefallen, und ihr Ersatz waren großenteils Überläufer oder schwächliche junge Leute unter achtzehn Jahren, unfähig zum Ertragen der Beschwerden eines harten Feldzuges. Viele Regimenter waren während des Krieges mehrfach vernichtet und dreimal neuformiert worden. In solchem Zustande konnten die Truppen den Führern kein Vertrauen einflößen.

Auf welchen Beistand konnte der König bei Fortsetzung des Krieges rechnen? Er stand völlig allein und ohne Bundesgenossen da. Die Gesinnung der Kaiserin von Rußland gegen ihn war zweifelhaft. Die Engländer benahmen sich weniger als<173> Freunde wie als erklärte Feinde. Die Türken waren durch die zahlreichen Umwälzungen in Rußland verblüfft und wußten nicht, was sie tun sollten. Sie lehnten das ihnen seit Jahren vorgeschlagene Defensivbündnis ab, und selbst der Tartaren-Khan nötigte in diesem Augenblicke den preußischen Residenten an seinem Hofe173-1 zur Abreise. Außer all diesen widrigen Umständen war sehr zu befürchten, daß bei der Fortsetzung des Krieges die Pest in Sachsen, Schlesien und Brandenburg aufträte; denn die meisten Felder lagen brach, die Lebensmittel waren rar und unerschwinglich und das flache Land von Menschen und Vieh entblößt. In all diesen Ländern sah man nur die furchtbaren Spuren des Krieges und die Vorboten größeren Elends für die Zukunft. Unter so schrecklichen Umständen war bei der Fortsetzung des Krieges alles zu befürchten. Hätte man auch den bevorstehenden Feldzug begonnen, so hätte man dadurch keine besseren Bedingungen erlangt. Nach vergeblichem Widerstande hätte man sich doch nur im Kreise herumgedreht und zu denselben Bedingungen zurückkehren müssen, über die man sich bereits einig war.

Die Österreicher schlugen einen Kongreß vor, was der König sogleich annahm. Sie schickten als Bevollmächtigten Collenbach173-2 und der König seinen Legationsrat Hertzberg173-3. Man kam überein, die Verhandlungen in Hubertusburg zu führen. Ort und Umgebung wurden öffentlich für neutral erklärt. Nach den üblichen Formalitäten begannen die Unterhandlungen am 30. Dezember.

In diesen glücklichen Tagen beruhigten sich die erhitzten und durch den Krieg aufgebrachten Geister plötzlich vom einen Ende Europas bis zum andern. Wie schon gesagt, waren die Präliminarien zwischen Frankreich und England unterzeichnet173-4. Das Versailler Ministerium hatte sich nach den Mißerfolgen seiner Waffen in Indien und Europa dazu bereit gefunden; denn im letzten Frühjahr hatten die Engländer Martinique erobert und im Sommer den Spaniern Havanna fortgenommen und ihre Flotte ganz vernichtet. Diese Unglücksfälle, die ungeheuren Ausgaben Frankreichs und die Unmöglichkeit, neue Geldquellen zu erschließen, hatten den Staatsrat endlich zum Frieden bewogen. Die Engländer konnten ihren Feinden die Friedensbedingungen diktieren und einen ruhmvollen Frieden schließen. Statt dessen gaben sie auf Butes Antrieb die Interessen ihrer Bundesgenossen preis. Sie gestatteten den Franzosen, nach dem Friedensschluß im Besitz von Wesel und Geldern und der umliegenden Gebiete zu bleiben173-5. Aber nicht zufrieden, ihre Verpflichtungen und die Heiligkeit der Verträge mit Füßen zu treten, intrigierte Bute auch noch am Petersburger Hofe und streute Mißtrauen und Argwohn gegen den König aus, sodaß dieser auf keine europäische Macht rechnen konnte, ja neue Zwistigkeiten mit Rußland befürchten mußte.<174> Mitten in dieser allgemeinen Unruhe, wo oft unbedachte Entschlüsse gefaßt wurden, traf es sich, daß das englische Ministerium, gewiß wider Willen, Preußen einen wichtigen Dienst leistete, und zwar folgendermaßen. Kaum waren die Präliminarien unterzeichnet, so entließ das Ministerium aus Sparsamkeitsrücksichten alle leichten Truppen bei der Armee des Prinzen Ferdinand, unter anderm auch die britische Legion174-1. Dies 3 000 Mann starke Korps übernahm der König von Preußen nebst den 800 preußischen Husaren des Regiments Baur174-2 und dem braunschweigischen Freikorps, das ebensoviel Leute zählte. Das zwischen 5 000 und 6 000 Mann starke Detachement erhielt Befehl, sofort nach der Kleveschen Grenze zu rücken. Das jagte den Franzosen einen großen Schreck ein. Sie wähnten, der König beabsichtige eine Diversion nach Flandern oder Brabant, und teilten ihren Argwohn den Österreichern mit, die sofort 10 000 Mann an den Rhein schickten. Das hannöversche Ministerium seinerseits glaubte, der König wolle, über die Treulosigkeit der Engländer erbittert, sich an Hannover rächen. In England glaubte man, er plane einen Anschlag auf das Bistum Münster, um dadurch ein Pfand für die Rückgabe von Kleve und Geldern in der Hand zu haben. Da Bute gewohnt war, seine feindliche Gesinnung gegen Preußen bei jeder Gelegenheit zu bekunden, so ließ er die Besatzung von Münster verdoppeln und befahl, keinen Preußen in die Stadt zu lassen. So erhitzte ein einfaches und natürliches Ereignis plötzlich die Einbildungskraft der Minister und brachte halb Europa außer Fassung.

Dieser Unsinn schlug indessen zum Vorteil des Königs aus. Er hatte an keine jener Diversionen, auch nicht an Münster gedacht. Sein einziger Plan war die Überrumpelung der Besatzung von Wesel, um die Festung wieder in Besitz zu nehmen. Unterdes ließen die Franzosen, sehr betroffen über die Möglichkeit eines neuen Krieges in Flandern, in den sie verwickelt werden konnten, durch den Herzog von Nivernais174-3 dem preußischen Gesandten in London einen Neutralitätsvertrag für Flandern antragen und erboten sich dafür zur Rückgabe der weggenommenen preußischen Provinzen. Der Vorschlag ward, kaum gemacht, auch schon angenommen. Allein bei der großen Entfernung und der schwierigen Schiffsverbindung mit England während der rauhen Jahreszeit kam der Hubertusburger Friede eher zustande, als der andere Vertrag perfekt wurde.

Wir kommen also wieder zur Unterhandlung in Sachsen, bei der in der Tat alle strittigen Interessen Preußens geregelt wurden.

Sobald die Bevollmächtigten in Hubertusburg versammelt waren, diktierte Collenbach eine Denkschrift174-4 ungefähr folgenden Inhalts: „Der Bevollmächtigte, Herr von<175> Collenbach, erklärt, daß Ihre Majestät die Kaiserin-Königin ohne Zaubern die ersten Vorschläge macht, um alle Welt von der Ehrlichkeit ihrer Friedenswünsche zu überzeugen. Da man beiderseits übereingekommen ist, den Frieden auf billigen, ehrenvollen und dauerhaften Grundlagen aufzubauen, damit keine der kontrahierenden Parteien wirkliche Verluste erleide, sind folgende Bedingungen erforderlich:

1. Der sächsische Hof soll auf eine für beide Teile angemessene und billige Weise in den Frieden einbegriffen werden.

2. Die Reichsstände, insbesondere in Franken, sowie auch der Herzog von Mecklenburg175-1 und der Fürst von Zerbst175-2, sollen in billiger Weise berücksichtigt werden.

3. Beide Teile sollen für Herstellung des Friedens im Reich auf eine für den Kaiser ehrenvolle Weise Sorge tragen.

4. Eine allgemeine Amnestie soll stattfinden, worin das Römische Reich einbegriffen wird.

5. Der Vertrag zwischen dem König von Preußen und dem Kurfürsten von der Pfalz über die Erbfolge in Jülich und Berg175-3 soll nach Abschluß des Friedens wieder in Kraft treten und im alten Umfange erneuert werden.

6. Zur Befestigung des Friedens soll die Grafschaft Glatz, die durch ihre Lage Böhmen deckt, der Kaiserin-Königin verbleiben. Dagegen verpflichtet sich die Kaiserin zur Tilgung eines Teils der auf Schlesien ruhenden Hypothekenschulden, dem Werte der Grafschaft entsprechend, zum Verzicht auf den Titel Herzogin von Schlesien und zur Vereinigung der Fürstentümer Troppau und Jägerndorf mit Mähren.

7. Um allen Vergrößerungsgelüsten und neuen ehrgeizigen Plänen vorzubeugen, verpflichtet sich die Kaiserin, den Kaiser zum Ausschluß des Großherzogtums Toskana von der Erbfolge der Primogenitur zu bestimmen, jedoch nur unter der Bedingung, daß der König dieselbe Verbindlichkeit für die Nachfolge in den Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth übernimmt, die bisher Sekundogenituren bildeten.

8. Die Handelsverhältnisse sollen auf dem derzeitigen Fuß verbleiben.

9. Dafür, daß die Kaiserin dem König seine Provinzen zurückgibt, verspricht dieser seine Stimme dem Erzherzog Josef für die Wahl zum römischen König.

10. Desgleichen für die Anwartschaft auf die Lehnsfolge im Herzogtum Modena für denjenigen unter den jüngeren Erzherzögen, der die Erbin von Modena heiraten wird175-4.

11. Der König gewährt der Kaiserin freie Schiffahrt auf der Elbe.

<176>

12. Erneuert werden die Bestimmungen des Breslauer und Dresdener Friedens, betreffend die Aufrechterhaltung der römisch-katholischen Kirche, die Tilgung der schlesischen Schulden und die gegenseitigen Garantien, die der König über die Grenzen des Dresdener Friedensvertrages hinaus ausdehnen möge176-1. Ferner Auswechslung aller Kriegsgefangenen und Verzicht auf alle rückständigen Kriegskontributionen.“

Diese Vorschläge, von denen mehrere verfänglich waren, wurden der Bedeutung des Gegenstandes entsprechend aufmerksam geprüft. Ausgemerzt wurden alle Artikel, deren Sinn oder Wortlaut den für den Frieden aufgestellten Grundsätzen widersprach. Vor allem war es leicht, nachzuweisen, daß die Abtretung einer Provinz, unter welchem Vorwande sie auch erfolge, doch immer einen wirklichen Verlust bedeute, und daß alle gewaltsame Verdrehung oder sophistische Auslegung am ursprünglichen Wesen einer Sache nichts ändern könne. An Stelle des sechsten Artikels wurde daher bestimmt, daß die völlige Rückerstattung der den kriegführenden Mächten gehörenden Staaten als Grundlage des Vertrages dienen sollte. Infolgedessen sollte der König von Polen sein Kurfürstentum Sachsen und die zugehörigen Provinzen wiedererhalten, sobald den Preußen die vom Feinde besetzten Provinzen zurückerstattet wären.

Ferner wurde Aufschluß über verschiedene Unklarheiten in der österreichischen Denkschrift gefordert, die ohne nähere Bestimmung nicht zu verstehen waren. Was bedeuteten z. B. die „billigen Rücksichten“, die der König den Reichsfürsten bezeigen sollte? Diese Wendung konnte willkürlich ausgelegt werden. Sie bedurfte also notwendig einer klaren und deutlichen Formulierung. Zugleich machte man den Österreichern begreiflich, daß alle Zwistigkeiten zwischen dem König und den Reichsfürsten durch den Frieden abgetan seien, und daß es somit keiner besonderen Bestimmung darüber bedürfe, es sei denn, daß die Kaiserin-Königin ihrerseits im selben Artikel ganz die gleichen Verpflichtungen gegenüber den Verbündeten des Königs übernähme, nämlich gegenüber der Kaiserin von Rußland, dem König von England als Kurfürsten von Hannover, dem Landgrafen von Hessen-Kassel und dem Herzog von Braunschweig.

Statt des dritten Artikels schlug man Amnestie für das Geschehene und Erneuerung des Westfälischen Friedens vor. Das geschah nur, um die Verbündeten des Wiener Hofes lächerlich zu machen, da ja Frankreich und Schweden jenen Frieden zum Vorwand für ihre Parteinahme gegen den König von Preußen benutzt hatten. Durch seine Erneuerung entlockte man der Kaiserin also das stillschweigende Eingeständnis der Ungerechtigkeit jenes Vorwands. Der sechste Artikel, die Abtretung der Grafschaft Glatz betreffend, wurde rundweg verworfen, da er den vereinbarten Grundlagen widersprach. Auch der siebente Artikel wurde mit der Begründung abgelehnt, es sei unschicklich, daß eine fremde Macht sich in die von einer anderen Macht<177> erlassenen oder abgeschafften Hausgesetze und Anordnungen mische. Um dieser Weigerung eine anständige Wendung zu geben, wurde hinzugefügt: da der König sich keinen Einfluß auf die Bestimmungen des Kaisers über die Erbfolge in seiner Familie anmaße, so hoffe er auch umgekehrt, daß weder der Kaiser noch die Kaiserin sich Verfügungen über die Erbschaften erlauben würden, die gesetz- und rechtmäßig an die ältere Linie des Hauses Brandenburg heimfielen. Was den Artikel über den Handel anging, so erwiderte der König: der Verzicht auf Rechte, die durch die Verträge von Breslau und Dresden erworben wären, sei allerdings hart; jedoch sei er nicht abgeneigt, in einigen Punkten nachzugeben, um seine Willfährigkeit zur Förderung des Friedens zu bezeigen. Die Wahl des Erzherzogs Josef zum römischen König und die Lehnsfolge im Herzogtum Modena konnte der König nicht hindern und beschloß daher, seine Stimme bereitwillig zu geben, um sich ein Verdienst daraus zu machen. So blieben diese Artikel ganz unverändert. Dagegen wurde der Anspruch der Österreicher auf die freie Elbschiffahrt abgewiesen, weil er das uralte Stapelrecht der Stadt Magdeburg verletzte. Über die anderen Artikel einigte man sich bald, mit Ausnahme der österreichischen Forderung größerer und weniger beschränkter Garantien als der im Dresdener Frieden festgesetzten. Dieser Antrag wurde dadurch umgangen, daß man die Österreicher bei ihrer schwachen Seite nahm und ihrer ungeheuren Eitelkeit schmeichelte, die sie zwar manchmal verbergen, die aber doch immer wieder durchbricht. Man übertrieb also die große Ausdehnung ihres Kaiserreiches und die Menge seiner Königreiche und Provinzen im Vergleich zu dem geringen Umfang und den kleinen Provinzen des preußischen Staates. Hiernach, sagte man, hätte ja der König doppelt soviel Garantien zu übernehmen als die Kaiserin-Königin und käme dadurch in Nachteil bei einem Vertrage, der gleiche Rechte und Pflichten verlange. Der wahre Grund zur Verwerfung jener Garantien war die Befürchtung des Königs, sich wegen der Türken die Hände zu binden, und das wäre unfehlbar geschehen, wenn Ungarn in die Zahl der Provinzen eingeschlossen wurde, die er der Kaiserin-Königin garantierte. Dagegen wurde ein neuer Artikel über die Auswechslung der kriegsgefangenen Landeskinder aufgenommen, die während des Krieges zum Dienst im feindlichen Heere gepreßt worden waren.

Der Gegenentwurf wurde von Collenbach nach Wien geschickt. Die Antwort kam ziemlich schnell zurück. Die Österreicher gaben in den meisten Artikeln nach. Fest blieben sie eigentlich nur in zwei Punkten: sie bestanden auf der Abtretung der Grafschaft Glatz und auf der Abschließung eines vorläufigen Vertrages über die Erbfolge in Ansbach und Bayreuth. Man hatte also zwei schon halb widerlegte Argumente zu bekämpfen. Die Österreicher behaupteten, die Festung Glatz diene in ihren Händen nur zur Verteidigung, in denen des Königs von Preußen aber zum Angriff. Auch wollten sie den König durch den Teil des Fürstentums Neiße, der in ihrem Besitz war, entschädigen und das übrige bar bezahlen, um die auf Schlesien ruhenden Schulden zu tilgen. Man begnügte sich damit, dieselben Gründe wieder ins Feld zu führen, und<178> bewies ihnen aus der Lage der Örter, daß es an der Grenze Böhmens mehrere Stellungen gäbe, die dem Besitzer von Glatz das Einrücken in Böhmen verwehren, als da sind: Birkicht, Politz, Opotzno, Nachod, Wisoka, Neustadt und besonders Königgrätz, deren jede, wenn sie gut besetzt ist, ein Heer wie das des Xerxes aufhalten könne; denn es wären lauter Thermopylen, wogegen in Schlesien diesseits von Glatz in den Ebenen von Frankenstein und Reichenbach gar keine Stellung vorhanden sei, wo eine Armee dem Feinde das Eindringen verwehren könne. Daraus gehe deutlich hervor, daß Glatz in den Händen der Österreicher zum Angriff geeignet sei; denn es sichere ihnen drei bequeme Eingänge in Niederschlesien, bei Johannesberg, Martha und Silberberg. Von dort könnten sie, sobald ein Krieg ausbräche, ihn ins Herz der Provinz tragen. In den Händen der Preußen dagegen könne Glatz nur zur Verteidigung dienen, weil es kein Schlüssel für die böhmischen Pässe sei. Da dieser Streit rein militärisch war, so berief sich der König auf die Einsicht Dauns, der die Richtigkeit seiner Behauptung nicht abstreiten werde. Zur Versüßung der Pille fügte der König noch das höfliche Kompliment hinzu: Wenn es nur auf die Abtretung einer Provinz ankäme, um die Freundschaft einer Fürstin von so seltenen Eigenschaften wie die Kaiserin zu gewinnen, so würde er glauben, sie mit solchem Opfer billig erstanden zu haben. Jedoch wäre ein Verzicht auf eine Festung von so großer Bedeutung wie Glatz nur bei völliger Pflichtvergessenheit eines Herrschers gegen seine Nachkommen möglich, zumal der König sich unter den obwaltenden Verhältnissen von den Feinden keine Gesetze diktieren zu lassen brauche, da er ihnen doppelt soviel zurückzugeben habe, als man ihm erstatten könne.

Der andere Artikel, der den Vorschlag der Österreicher zur Regelung der Erbfolge in Ansbach und Bayreuth betraf, war den Interessen des preußischen Königshauses zu entgegengesetzt und daher unannehmbar. Man widerlegte ihn zunächst mit den schon benutzten Gründen und unterstützte diese mit geschichtlichen Beispielen, indem man auf die Zwecklosigkeit solcher im voraus gemachter Verträge hinwies, die ja doch nie erfüllt würden. Das war den Österreichern leicht zu beweisen, da sie ja noch eine frische Erinnerung an den geringen Wert der berühmten Pragmatischen Sanktion besaßen, durch die Kaiser Karl VI. die Erbfolge in seinen Staaten geregelt hatte.

Der Wiener Hof machte gegen die beiden Artikel abermals Einwendungen. Erst nach wiederholten Versuchen ließ er von der Grafschaft Glatz ab und erklärte, Festung und Geschütze im damaligen Zustand herausgeben zu wollen. Auch stand er von dem vorläufigen Vertrag wegen der Erbfolge in Ansbach und Bayreuth ab. Nun blieb nur noch der Handelsvertrag zwischen Preußen und Österreich zu regeln. Aber der König wollte wegen dieses Artikels keine Schwierigkeiten machen und gab um des lieben Friedens willen nach. Man vereinbarte also, daß in dieser Hinsicht jeder bei sich nach Gutdünken verfahren solle.

Die Unterhandlung mit den Sachsen hielt mit der österreichischen gleichen Schritt. Sie bereitete keine großen Schwierigkeiten; denn der König von Polen war froh<179> genug, daß die Preußen ihm sein Kurfürstentum zurückgeben wollten. Nur verlangten die Sachsen, man solle den Kindern des Königs Versorgungen schaffen, insbesondere dem Prinzen Karl, dem die Kaiserin von Rußland eben das Herzogtum Kurland179-1 nahm. Bekanntlich hatte der Prinz eine heimliche Ehe mit einer Gräfin Krasinska aus einer polnischen Magnatenfamilie geschlossen. Zum Scherz schlug der König vor, man solle ihm die Anwartschaft auf die Würde des Hochmeisters des Deutschritterordens verschaffen, die damals Prinz Karl von Lothringen besaß und die kein Verheirateter bekleiden durfte. Am spaßigsten aber war dabei, daß die sächsischen Bevollmächtigten den Spott nicht bemerkten und erst nach vier Tagen, als sie den Vertrag nochmals durchsahen, ihren Schnitzer und den Scherz, den man mit ihnen getrieben, erkannten.

Nachdem alles geregelt war, wurden die Präliminarien am 15. Februar unterzeichnet und die Ratifikationen am 1. März ausgetauscht.

So endigte der blutige Krieg, der ganz Europa umzuwälzen drohte und in dem doch keine Macht, mit Ausnahme von Großbritannien, ihr Gebiet um einen Fuß breit erweitert hatte. Der Friede zwischen Frankreich und England wurde nur wenige Tage vor dem Hubertusburger Frieden unterzeichnet179-2. Durch ihn verlor Frankreich seine wichtigsten Besitzungen in Amerika. Die Engländer gaben Martinique, Guadeloupe, das Fort Belle-Isle und Pondichery heraus, und Frankreich erstattete den Engländern die Insel Minorka zurück.

Wir können nicht umhin, an die Darstellung all dieser Ereignisse einige Betrachtungen anzuknüpfen. Scheint es nicht erstaunlich, daß alle List und Macht der Menschen so oft durch unerwartete Ereignisse oder Schicksalsschläge genarrt wird? Scheint nicht eine unbekannte Macht verächtlich mit den Plänen der Menschen zu spielen? Ist es nicht klar, daß jeder vernünftige Mensch bei Beginn der Kriegswirren sich ihren Ausgang anders gedacht hatte? Wer konnte voraussehen oder sich denken, daß Preußen dem Angriff jener furchtbaren Liga von Österreich, Rußland, Frankreich, Schweden und dem ganzen Heiligen Römischen Reiche widerstehen und aus einem Kriege, wo ihm überall Untergang drohte, ohne den geringsten Verlust an Besitzungen hervorgehen würde? Wer konnte ahnen, daß Frankreich mit seinen gewaltigen Hilfsmitteln, seinen starken Bündnissen, seiner inneren Kraft seine wichtigsten Besitzungen in Ostindien verlieren und das Opfer des Krieges sein würde? Alle diese Ereignisse mußten im Jahre 1757 unglaublich erscheinen.

Prüfen wir aber hinterher die Ursachen einer so unerwarteten Wendung der Dinge, so finden wir, daß folgende Ursachen Preußens Untergang verhinderten:

1. Mangel an Übereinstimmung und Eintracht unter den Mächten der großen Allianz; die Verschiedenheit ihrer Interessen, die sie hinderte, sich über manche Ope<180>rationen zu einigen; der geringe Grad von Einigkeit unter den russischen und österreichischen Generalen, die argwöhnisch wurden, gerade wenn die Gelegenheit kraftvolles Handeln zur Vernichtung Preußens erforderte, was ihnen auch hätte gelingen können.

2. Die allzu verschlagene und tückische Staatskunst des Wiener Hofes, der die schwierigsten und gewagtesten Unternehmungen auf seine Verbündeten abwälzte, um am Ende des Krieges sein Heer in besserem Zustand und vollzähliger zu haben als die anderen Mächte. Daher kam es, daß die österreichischen Generale es bei verschiedenen Gelegenheiten aus übertriebener Vorsicht verabsäumten, den Preußen den Gnadenstoß zu geben, als diese in verzweifelter Lage und dem Untergang nahe waren.

3. Der Tod der Kaiserin Elisabeth, die auch das Bündnis mit Österreich mit ins Grab nahm, der Abfall der Russen, das Bündnis der Preußen mit Peter III. und schließlich die Absendung des russischen Hilfskorps nach Schlesien.

Prüfen wir andrerseits die Ursachen für die Verluste der Franzosen, so bemerken wir zunächst den Fehler, sich in die deutschen Wirren einzumischen. Mit England führten sie bisher nur einen Seekrieg. Nun schlugen sie einen verkehrten Weg ein und vernachlässigten die Hauptsache, um etwas anderes zu betreiben, das sie eigentlich garnichts anging. Bisher waren sie den Engländern zur See überlegen gewesen. Sobald aber ihre Aufmerksamkeit durch den Kontinentalkrieg abgelenkt wurde und ihre Heere in Deutschland all die Geldmittel verschlangen, die sie zur Vermehrung ihrer Flotte hätten verwenden sollen, gebrach es ihrer Marine am Nötigsten. So erlangten die Engländer das Übergewicht und blieben Sieger in allen Weltteilen. Überdies gingen die ungeheuren Summen, die Ludwig XV. als Subsidien zahlte, und die Kosten für den Unterhalt der Heere in Deutschland außer Landes. Dadurch wurde der Geldumlauf in Paris wie in den Provinzen um die Hälfte vermindert. Um das Unglück voll zu machen, begingen die Feldherren, die der Hof an die Spitze der Armeen stellte und die sich alle für einen Turenne hielten, Fehler, die man einem Anfänger nicht verziehen hätte.

Mögen solche Beispiele wenigstens die großen Projektenmacher unter den Staatsmännern belehren, daß der menschliche Geist, so umsichtig er auch sei, doch niemals all die feinen Verkettungen so zu durchschauen vermag, um Ereignisse, die von künftigen Zufällen abhängen, vorauszusehen oder herbeizuführen. Wir erklären recht gut das Vergangene, weil dessen Ursachen offen daliegen, aber wir irren stets über das Kommende; denn die Ursachen zweiter Ordnung180-1 entziehen sich unsern verwegenen Blicken.

Es ist keine Besonderheit unsres Jahrhunderts, daß Staatsmänner sich täuschen. So war es in allen Zeiten, wo der menschliche Ehrgeiz große Pläne gebar. Um sich davon zu überzeugen, erinnere man sich nur der Geschichte der berühmten Ligue von Cambrai180-2, des Scheiterns der Armada, der Kriege Philipps II. gegen die Niederlande,<181> der großen Pläne Ferdinands II. bei Beginn des Dreißigjährigen Krieges, der verschiedenen Teilungspläne vor dem Spanischen Erbfolgekrieg und vor diesem letzten Kriege. Alle jene großen Unternehmungen führten fast zum Gegenteil dessen, was ihre Urheber gewollt hatten. Denn alle menschlichen Dinge sind wandelbar, und wir selbst, unsere Pläne und die Ereignisse sind ewigem Wechsel unterworfen. Als die kriegführenden Mächte den Kampfplatz verlassen hatten, auf dem sie mit soviel Haß und Erbitterung gefochten hatten, begannen sie ihre Wunden zu spüren und fühlten das Bedürfnis nach Heilung. Alle litten, obwohl an verschiedenen Übeln. Wir wollen sie hier gleichsam Revue passieren lassen, um ein genaues Bild ihrer Verluste und ihrer jetzigen Lage zu gewinnen.

Preußen berechnete, daß der Krieg ihm 180 000 Mann hingerafft hatte. Seine Heere hatten in 16 Feldschlachten gefochten. Außerdem hatten die Feinde drei preußische Korps fast völlig vernichtet: erstens den Transport nach Olmütz181-1, zweitens das Fincksche Korps bei Maxen und drittens das Fouquésche bei Landeshut181-2. Zudem ging noch eine Besatzung von Breslau181-3, zwei von Schweidnitz181-4, eine von Torgau und Wittenberg181-5 bei der Einnahme dieser Städte verloren. In der Provinz Preußen<182> rechnete man 20 000 Menschen, die durch die Greueltaten und Verheerungen der Russen umgekommen waren, in Pommern 6 000, in der Neumark 4 000, in der Kurmark 3 000.

Die russischen Truppen hatten 4 große Schlachten geschlagen. Sie berechneten ihren Verlust im Kriege auf 120 000 Mann, einschließlich der Rekruten, die auf ihrem Wege von den Grenzen Persiens und Chinas nach Deutschland umkamen. Die Österreicher hatten 10 Schlachten geliefert, zweimal die Besatzung von Schweidnitz182-1 und einmal die von Breslau182-2 verloren; sie bezifferten ihren Verlust auf 140 000 Mann. Die Franzosen gaben ihren Verlust auf 200 000 Mann an, die Engländer und ihre Verbündeten auf 160 000, die Schweden auf 25 000 und die Reichsstände auf 28 000 Mann.

Österreich hatte beim Friedensschluß 100 Millionen Taler Schulden. Die Grenzen Böhmens und Mährens waren verheert worden, doch blieben keine Spuren mehr von Verwüstung und Zerstörung zurück.

Die französische Regierung hatte durch die Räuberei der Finanzleute und die Veruntreuungen der Beamten allen Kredit verloren. Sie sah sich genötigt, die Zinszahlungen für die Anleihen einzustellen, und das wenige, was sie abtrug, wurde unregelmäßig bezahlt. Das Volk seufzte unter der Last der drückenden Abgaben, und obgleich kein hereinbrechender Feind das Land verheerte, litt der Staat doch nicht minder, weil der Handel mit Indien vernichtet war und so die Quellen des Wohlstandes versiegten. Überdies hatten die Staatsschulden eine derartige Höhe erreicht, daß die außerordentlichen Auflagen noch zehn Jahre nach dem Frieden erhoben werden mußten, um die Zinsen zu bezahlen und einen Tilgungsfonds zu schaffen.

Die Engländer, die zu Wasser und zu Lande siegreich gewesen waren, hatten ihre Eroberungen eigentlich nur mit ungeheuren Kriegsanleihen erkauft, und der Staat war dadurch fast bankrott. Dagegen überstieg der Privatreichtum jeden Begriff. Dieser Reichtum und Luxus des Volkes rührte von den großen Prisen her, die so viele Privatleute den Franzosen und Spaniern weggenommen hatten, und von dem fabelhaften Anwachsen des Handels, den sie während des Krieges fast allein in Händen gehabt hatten.

Rußland hatte zwar beträchtliche Summen ausgegeben, aber mehr auf Unkosten Preußens und Polens als auf eigene Rechnung Krieg geführt. Schweden stand vor dem Staatsbankrott. Dort hatte man nicht nur die Gelder der Bank angegriffen, sondern auch durch eine ungeschickte Finanzoperation das Papiergeld zu stark vermehrt. Dies zerstörte das Gleichgewicht, das jeder gutverwaltete Staat zwischen Papiergeld und Münze halten muß.

Preußen hatte durch den Krieg am meisten gelitten. Österreicher, Franzosen, Russen, Schweden, Reichstruppen, ja selbst der Herzog von Württemberg hatten das Land verheert. Zum Unterhalt der Armeen und für anderen Kriegsbedarf hatte der<183> Staat 125 Millionen Taler ausgegeben. Pommern, Schlesien und die Neumark bedurften großer Summen zu ihrer Wiederherstellung. Aber auch andere Provinzen, wie das Herzogtum Krossen, das Fürstentum Halberstadt und die Grafschaft Hohenstein, bedurften sehr der Hilfe. Man mußte viel Fleiß und Mühe anwenden, um sie wieder in den vorigen Zustand zu bringen. Die meisten Felder lagen brach, da es an Saatkorn und Vieh mangelte, und alles, was zur Nahrung eines Volkes dient, fehlte ebenfalls. Zur Linderung all dieses Elends wurden an jene Provinzen 25 000 Wispel Korn und Mehl und 17 000 Wispel Hafer in billiger Weise verteilt. Dem Adel und den Bauern wurden 35 000 Pferde von den Truppenteilen und der Artillerie, sowie Lebensmittel gegeben. Außerdem bezahlte der König an Schlesien 3 Millionen Taler, an Pommern und die Neumark 1 400 000, an die Kurmark 700 000, an das Herzogtum Kleve 100 000 und an die Provinz Preußen 800 000 Taler für ihre Wiederherstellung. Die Steuern im Herzogtum Krossen, in Hohenstein und Halberstadt wurden auf die Hälfte herabgesetzt, kurz, das Volk schöpfte wieder so viel Mut, um nicht an seiner Lage zu verzweifeln, und begann durch Tatkraft und Fleiß den erlittenen Schaden wieder gutzumachen.

Aus dieser allgemeinen Übersicht ergibt sich, daß die österreichische, französische und selbst die englische Regierung tief in Schulden steckten und fast keinen Kredit hatten, während die Völker, die nicht unmittelbar unter dem Kriege gelitten hatten, ihn nur an den ungeheuren Abgaben spürten, die ihnen auferlegt wurden. In Preußen dagegen besaß die Regierung Geld und Kredit, aber die Provinzen waren durch die Raubgier und Barbarei der Feinde verheert und zugrunde gerichtet. Nächst Pommern hatte von allen deutschen Ländern Sachsen am meisten gelitten, aber sein guter Boden und der Gewerbfleiß seiner Einwohner waren Hilfsquellen, die der preußische Staat nur in Schlesien hatte. Die Zeit, die alle Übel heilt und tilgt, wird gewiß auch bald den preußischen Provinzen ihren Wohlstand, ihr Gedeihen und ihren ersten Glanz wiedergeben. Auch die andern Mächte werden sich wieder erholen. Dann werden andere Ehrgeizige neue Kriege heraufbeschwören und neues Unheil verbreiten. Denn es ist eine Eigenschaft des menschlichen Geistes, daß Beispiele keinen bessern. Die Torheiten der Väter sind für ihre Kinder verloren; jede Generation muß ihre eigenen machen.

Wir wollen dies vielleicht schon zu lange und ausführliche Buch nur noch mit zwei Worten beschließen, um die Neugier der Nachwelt zu befriedigen, die ohne Zweifel wird wissen wollen, wie ein so wenig mächtiger Fürst wie der König von Preußen sieben Jahre lang einen so verderblichen Krieg gegen die mächtigsten Monarchen Europas aushalten konnte. Wenn der zeitweilige Verlust so vieler Provinzen ihn in große Bedrängnis brachte und die hohen Ausgaben beständig vermehrt werden mußten, so blieben doch immer einige Hilfsquellen übrig. Der König zog aus den ihm verbliebenen Provinzen, die für die anderen eintreten mußten, 4 Millionen. Die Kriegskontributionen aus Sachsen beliefen sich auf 6 bis 7 Millionen. Aus den<184> englischen Subsidien, die eigentlich nur 4 Millionen betrugen, wurden 8 Millionen geprägt. Die Verpachtung der Münze unter Verminderung der Geldsorten auf den halben Wert erbrachte 7 Millionen. Außerdem wurde die Bezahlung der Zivilgehälter suspendiert, um alle Gelder für den Krieg zu verwenden. Diese verschiedenen Summen ergaben jährlich insgesamt 25 Millionen Taler in schlechter Münze. Das genügte bei guter Wirtschaft zur Besoldung und zum Unterhalt der Armee und für außerordentliche Ausgaben, die bei jedem Feldzug wiederkehrten.

Wenn die Vorsehung auf die menschlichen Armseligkeiten herabblickt, so gebe der Himmel, daß Preußen unveränderlich blühe und in Zukunft vor dem Jammer und Elend bewahrt bleibe, die das Land in diesen Zeiten des Umsturzes und der Verwirrung heimgesucht haben. Mögen seine Herrscher niemals gezwungen werden, zu den gewaltsamen und verhängnisvollen Mitteln zu schreiten, die der König zur Verteidigung des Staates gegen den Haß und den Ehrgeiz der europäischen Fürsten ergreifen mußte, als sie das Haus Brandenburg vernichten und den preußischen Namen für immer austilgen wollten!


169-1 Freiherr Thomas von Fritsch.

169-2 In dem Schreiben vom 28. November 1762 bat Kurprinz Friedrich Christian um Gehör für die Eröffnungen, die Fritsch in seinem, des Kurprinzen, Namen machen werde. Diese bezogen sich eben auf Verhandlungen zwischen Wien und Dresden über die Wiederherstellung des Friedens.

170-1 Der sächsische Geheimrat Gaul war nach Paris und Wien gesandt worden, um über die Anbahnung des Friedens zu verhandeln. Darauf bezogen sich die beiden von Fritsch am 29. abschriftlich überreichten Denkschriften, ein Antrag des sächsischen Gesandten Graf Flemming vom 8. auf Einleitung der Verhandlungen mit Preußen und die Antwort des Grafen Kaunitz vom 9. November 1762.

170-2 Kaunitz erwähnte in seiner Antwort an Flemming (vgl. Anm. 1), daß Maria Theresia „schon seit einiger Zeit“ dem französischen und englischen Hofe versichert habe, sie sei bereit, sofort den Frieden oder einen Waffenstillstand zu schließen. Diese Erklärungen bezogen sich auf ihren Wunsch nach Fortsetzung des Augsburger Friedenskongresses (vgl. S. 85 f.).

171-1 Vgl. S. 119.

171-2 Gemeint sind die Neutralitätskonventionen, über die der König nach dem Einfall von Kleist in das Reich (vgl. S. 167) mit den Kurfürsten von Bayern und von Mainz, mit dem Bischof von Bamberg und von Würzburg und anderen Reichsfürsten verhandelte.

171-3 Vgl. S. 167.

171-4 Vgl. S. 166.

171-5 In der Antwort vom 30. November 1762 beschränkte sich der König auf die Erklärung, er hoffe, auf die Eröffnungen von Fritsch so geantwortet zu haben, daß der Kurprinz davon befriedigt sein werde.

172-1 In der schriftlichen Antwort, die Kaunitz am 9. Dezember 1762 auf Flemmings Mitteilung vom 7. über den bisherigen Verlauf der Verhandlungen mit Preußen gab, sowie in der Audienz von Fritsch am 19. handelte es sich hauptsächlich um die Bestimmung von Ort und Beginn der Friedensverhandlungen und um die Ernennung der Bevollmächtigten. Die Erwähnung eines Begleitbriefes von Flemming zur Kaunitzschen Antwort scheint auf einem Irrtum des Königs zu beruhen.

173-1 Boscamp (vgl. S. 118 f.).

173-2 Heinrich Gabriel von Collenbach.

173-3 Ewald Friedrich von Hertzberg, seit 5. April 1763 Staats- und Kabinettsminister.

173-4 Vgl. S. 167.

173-5 Zwar mußte Frankreich die preußischen Rheinlande räumen, bot aber ihre Besetzung dem Wiener Hofe an.

174-1 Vgl. S. 78.

174-2 Das Husarenregiment Baur, Ende 1759 auf Kosten Englands errichtet, war Ende 1761 in preußischen Dienst getreten und bei der alliierten Armee gewesen.

174-3 Der französische Bevollmächtigte in London.

174-4 „Übersicht der Bedingungen für den Frieden zwischen der Kaiserin, Königin von Ungarn und Böhmen, und dem König von Preußen“.

175-1 Vgl. Bd. III, S. 26 ff.

175-2 Vgl. S. 123.

175-3 Durch den Vertrag vom 24. Dezember 1741 mit dem Kurfürsten Karl Philipp hatte der König seinen Erbansprüchen auf Jülich und Berg (vgl. Bd. II, S. 3. 54 ff. 79) entsagt.

175-4 Bereits 1753 war zwischen den Höfen von Wien und Modena die Vermählung der Enkelin Herzog Franz' III., Marie Beatrix, der künftigen Erbin des Herzogtums, mit Erzherzog Leopold und dessen Erbfolge in Modena vertragsmäßig festgesetzt worden. Jedoch trat 1763 Erzherzog Ferdinand an die Stelle seines älteren Bruders Leopold, und 1771 erfolgte die Vermählung Ferdinands mit der Prinzessin.

176-1 Im Dresdener Frieden hatte König Friedrich die Bürgschaft für den Besitz Maria Theresias in Deutschland übernommen. Sie wollte jetzt die preußische Garantie auf Ungarn ausgedehnt wissen.

179-1 Vgl. Bd. III, S. 156.

179-2 Friede zu Paris, 10. Februar 1763.

180-1 Darunter versteht der König die Ursachen, „deren Spiel man erst nachträglich bemerkt, deren Wirkungen aber in der allgemeinen Ordnung der Dinge einbegriffen sind“.

180-2 Vgl. Bd. IIl, S. 187.

181-1 Vgl. Bd. III, S. 131 f.

181-2 Vgl. S. 24 f. und 39 f

181-3 Vgl. Bd. III, S. 104.

181-4 Vgl. S. 102 und Bd. III, S. 102 f.

181-5 Vgl. S. 63.

182-1 Vgl. S. 161 und Bd. III, S. 128 f.

182-2 Vgl. Bd. III, S. 110 f.