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10. Instruktion für Oberst Freiherr von der Goltz
(7. Februar 1762)

Ihr werdet nach Rußland geschickt, um den Zaren und die Zarin zu ihrer Thronbesteigung zu beglückwünschen. Bei der Ankunft in Petersburg werdet Ihr Euch an Herrn Keith206-2 wenden und Euch sogleich erkundigen, welches Zeremoniell Ihr am dortigen Hofe zu beobachten habt. Es versteht sich, daß Ihr Euch beim Großkanzler206-3 anmelden laßt, ihm Euren Besuch abstattet usw. Im allgemeinen wird Herr Keith Euch über all die Kleinigkeiten unterrichten, von denen Ihr keine außer acht lassen dürft, damit man schon bei Eurem ersten Auftreten nichts an Eurem Benehmen zu rügen findet.

Der eigentliche Zweck Eurer Sendung ist, den Krieg mit Rußland zu beenden und es gänzlich von seinen Verbündeten zu trennen. Bei der freundlichen Gesinnung des russischen Zaren ist zu hoffen, daß die Friedensbedingungen nicht hart sein werden. Da ich Euch aber genau über meine Anschauung informieren muß, so will ich auf den Gegenstand näher eingehen.

Über die Absichten des Zaren bin ich nicht genau unterrichtet. Alles, was ich weiß, dreht sich um folgende zwei Hauptpunkte. Erstens liegen ihm die holsteinischen

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Angelegenheiten207-1 mindestens ebenso am Herzen wie die russischen, und zweitens ist er meiner Sache gewogen. Da ich nichts Genaueres weiß, liegen diese beiden Ansichten meinem ganzen Gedankengang zugrunde.

Es gehört sich also, daß Ihr gleich bei der ersten Beglückwünschung geschickt auf mein Verlangen zu sprechen kommt, das gute Einvernehmen zwischen beiden Höfen wiederherzustellen und besonders die Freundschaft mit dem Zaren zu pflegen. Ihr werdet sagen, daß Ihr überglücklich wäret, dazu beitragen zu können. Zweitens werdet Ihr den holsteinschen Günstlingen oder der Zarin, oder besser noch, wenn sich Gelegenheit bietet, dem Zaren selbst sagen, ich hätte bisher sorgfältig alle Allianzvorschläge von seiten Dänemarks abgelehnt, wie der Zar es zu Beginn des Krieges von mir gewünscht hätte207-2, und ich hoffte, das würde ihm angenehm sein. Auch könnte ich ihm meinerseits nicht genug dafür danken, daß er sofort nach seiner Thronbesteigung das Hilfskorps von den Österreichern zurückberufen hätte207-3. Diese Handlung betrachtete ich als wahres Zeichen seiner Freundschaft, und meine Dankbarkeit dafür würde nie aus meinem Herzen schwinden. Bei dieser Gelegenheit werdet Ihr auch einflechten, Ihr wäret mit Vollmachten und mit allem, was man irgend wünschen könnte, versehen, um diesem Kriege, an dem Rußland kein eigentliches Interesse hätte, schnell ein Ende zu machen.

Prüfen wir nun, welche Friedensvorschläge man Euch etwa machen kann:

1. Man wird vorschlagen, die Truppen hinter die Weichsel zurückzuziehen, uns Pommern zurückzugeben und Ostpreußen vielleicht ganz oder nur bis zum allgemeinen Frieden zu behalten. Darauf müßt Ihr antworten: Wolle man das letztere, so müßten wir uns darein fügen; denn damit hätten wir schon viel gewonnen.

2. Schlägt man vor, Ostpreußen ganz zu behalten207-4, so müßt Ihr auf einer anderweitigen Entschädigung bestehen, je nachdem, was ich den Russen vorschlagen werde, und mir gleich einen Kurier senden.

3. Will man alle meine Staaten räumen und verlangt dafür eine Garantie für Holstein, so ermächtige ich Euch zum sofortigen Abschluß, besonders wenn Ihr eine Gegengarantie für Schlesien erlangen könnt.

4. Will der Zar außer einem dieser drei Fälle, daß ich ihm meine Neutralität zusichere, falls er mit Dänemark Krieg führt, so unterzeichnet Ihr, bittet aber nur darum, daß diese Akte oder dieser Vertragsparagraph ganz geheim gehalten werde. Kommt die Sache zustande, so ersucht Ihr den Kaiser und seine Minister, selbst dem englischen Gesandten nichts davon zu sagen, wie Ihr Eurerseits gleichfalls Befehl hättet, Euch niemandem gegenüber zu eröffnen, wer es auch sei.

5. Was die Friedensverhandlung betrifft, so könnt Ihr sagen, ich wünschte sehr, daß der Zar den König von Schweden gegen eine Partei unterstützte, die ihn heftig<208> verfolgt hat208-1. Es hinge nur von ihm ab, seinen Gesandten in Stockholm208-2 zu beauftragen, dem Reichsrat seine friedlichen Gesinnungen zu erklären. Dieser Schritt müsse die Schweden notwendig zum Frieden bestimmen. Derart werde der Zar zum Friedensbringer des ganzen Nordens, und das wäre der glänzendste Regierungsantritt, den die Weltgeschichte je berichtet habe.

6. Ihr sollt auch, was an Euch ist, die Absichten des Petersburger Hofes zu ergründen suchen: ob man dort den Krieg nur beenden will, um die inneren Verhältnisse des Reiches zu befestigen, oder um zum Kriege gegen Dänemark zu rüsten, oder ob man die Rolle des Vermittlers zwischen den jetzt kriegführenden Mächten spielen will. Da diese verschiedenen Möglichkeiten den Stand der Frage verändern, ist es äußerst wichtig, daß ich darüber Bescheid weiß. Vor allem müßt Ihr geschickt ergründen, inwieweit wir aus der Vermittlung des Petersburger Hofes Vorteil ziehen können. Gleichwohl seid Ihr zur Zeit nicht ermächtigt, um Vermittlung zu bitten. Ihr werdet Euch darauf beschränken, die Leute geschickt zu sondieren, damit man weiß, inwieweit auf sie zu zählen ist, falls ihre Vermittlung nötig wird.

7. Ich brauche Euch nicht erst zu sagen, daß Ihr dem Hofe, an den Ihr geht, bei jeder Gelegenheit Mißtrauen gegen die Österreicher und Sachsen einflößen müßt. Könnt Ihr gar Eifersucht erregen, um so besser! Ihr könnt erzählen, mit welcher Arglist die Österreicher die russischen Truppen allen Gefahren ausgesetzt haben, um selber bloße Zuschauer zu bleiben. Ihr selbst waret in diesem Jahre ja Zeuge davon. Sprecht von ihrer Treulosigkeit und von den schmählichen Mitteln, die sie in der Politik für erlaubt hielten, um zu ihrem Ziele zu kommen. Der Gegenstand ist so reichhaltig und muß Euch so vertraut sein, daß es Euch nicht an Stoff mangeln wird. Vor allem weist darauf hin, daß die Österreicher 1747 Holstein dem damaligen Großfürsten208-3 und gleichzeitig den Dänen garantiert haben.

8. Bleibt noch die Frage in Betreff der Türken offen. Ihr werdet nur dann davon reden, wenn Ihr sicher seid, daß der Friedensvertrag zustande kommt, und dem Zaren erklären, ich hätte, von allen Seiten bedrängt, um meiner Selbsterhaltung willen ein Bündnis mit den Türken geschlossen208-4, das darauf hinausliefe, sie zu einer Diversion gegen Ungarn zu bewegen; auch könnten die Tartaren wohl einen Einfall in das Gebiet der russischen Kosaken planen208-5. Sofern es dem Zaren aber beliebte, würde ich versuchen, die Sache in Güte beizulegen, vorausgesetzt, daß er der Pforte unter der Hand mitteilen ließe, er werde etwaige türkische Unternehmungen gegen Ungarn nicht stören208-6.

Das sind in Kürze alle Instruktionen, die ich Euch bei meinen geringen Nachrichten vom Petersburger Hofe zu geben vermag. Sobald ich mit dem Flügeladju<209> tanten des Zaren, Herrn von Gudowitsch, gesprochen habe209-1, werde ich Euch eine ausführlichere Instruktion über die fraglichen Punkte senden. Vor allem empfehle ich Euch, klug und umsichtig zu handeln, Euer Benehmen wohl zu überlegen, Eure Worte abzuwägen, Euch mit aller Welt anzufreunden, aber mit niemand zu verfeinden und, soviel an Euch liegt, zur Begründung einer festen und dauernden Verbindung beizutragen.


206-2 Der englische Gesandte.

206-3 Graf Michael Woronzow.

207-1 Vgl. S. 125.

207-2 Vgl. Bd. III, S. 119.

207-3 Vgl. S. 132.

207-4 Vgl. Bd. III, S. 155.

208-1 Vgl. Bd. III, S.24 f.

208-2 Graf Johann Ostermann.

208-3 Der nunmehrige Zar.

208-4 Vgl. S. 86.

208-5 Vgl. S. 118 f.

208-6 Vgl. S. 130.

209-1 Vgl. S. 123 f.