<189> gleichzeitig zu seinem Verstande sprechen. Eine pedantische Lehrmethode läßt nur Tat-fachen in seinem Gedächtnis zurück. Beim geographischen Unterricht kann er gleich, zeitig über die Interessen der Fürsien belehrt werden, über die Verschiedenheit der Regierungsformen, über die Hauptzweige des Handels, den jedes Volk treibt, über seine Erzeugnisse. Auch eine Beschreibung der Hauptstädte kann gegeben werden. Beim Geschichtsunterricht kann man ihm edlen Wetteifer einflößen, es großen Männern gleichzutun, und Abscheu gegen das Andenken der Fürsien, die in Trägheit versunken sind oder sich mit Verbrechen besteckt haben. Sind solche Betrachtungen kurz und dem kindlichen Verständnis angepaßt, so schlagen sie tiefe Wurzeln und zeitigen Früchte.

Da das Heerwesen die Grundlage Preußens bildet, so muß unumgänglich die Liebe zum Waffenberuf in dem Knaben erweckt werden. Auf sehr verschiedene Weise ist dies zu erreichen. Man muß es ihm in Gestalt von Spiel und Vergnügen beibringen und vom Militär nur mit jener heUigen Ehrfurcht sprechen, mit der die Priester von ihrer geheimnisvollen Offenbarung reden. Er soll nur mit seinen Lehrern und mit Offizieren verkehren und bisweilen Dienst tun. Dann ersetzt die Gewohnheit die natürliche Neigung, falls er nicht das lebendige Verlangen, den Drang spürt, der die vom Genius Erfüllten zur Ergreifung des Berufes treibt, für den die Natur ihnen ein ausgesprochenes Talent geschenkt hat.

Nichts ist wahrer als das italienische Sprichwort: die Fehler der Väter sind für die Kinder verloren. Jeder, der zur Welt kommt, scheint seinen kleinen Tribut an Torheiten bezahlen zu müssen. Daher ist es besser, der Knabe zahlt seinen Tribut und wird dafür bestraft, bevor er den Thron besteigt, als daß er auf Torheiten verfiele, während er seinem Volke das Beispiel der Weisheit geben soll. Deshalb wünschte ich, daß man dem Knaben die Freiheit ließe, alles zu tun, was er will, daß sein Gouverneur ihm nicht überall nachfolgte, aber seine Streiche tadelte oder streng bestrafte. Dann würde er Selbstbeherrschung lernen und aus Furcht vor den ihm drohenden Demütigungen auf eigene Kosten klug werden. Neigt er zum Jähzorn, so ist durch häufige Bestrafung dahin zu wirken, daß er Herr seiner ersten oder wenigstens seiner zweiten Wallung wird. Neigt er zu Verschwendung, so ist das ins Lächerliche zu ziehen und er ist mit Vernunftgründen zur Sparsamkeit anzuleiten. Liebt er Jagd, Musik, Tanz, Spiel usw., so möchte ich ihm diese Leidenschaften, einerlei, um welche es sich handelt, nicht verwehren, sondern ihn so viel davon kosten lassen, daß er sie selbst satt bekommt. Dann behält er das Vergnügen daran, und nur die Leidenschaft vergeht. Die Hauptsorge seiner Umgebung muß darin bestehen, sein Herz zu bilden. Er sei dankbar für geleistete Dienste, zärtlich gegen seine Freunde, voller Mitleid gegenüber dem menschlichen Elend, erfüllt von seelischem Schwung, von Edelmut, Hochherzigkeit und dem rühmlichen Ehrgeiz, der die edlen Geister treibt, ihresgleichen an Tugend zu überbieten. Vor allem aber wünschte ich, daß er menschenfreundlich, mild, der Gnade zugänglich und tolerant würde. . . .