<131>Ist mehr wert denn sie alle. So ist das Weltgeschick
Ein ewig Fließen, Wechseln; der stolzen Ströme Los
Ist, ständig zu erneuen des reichen Meeres Schoß...
Haushälterisch verwaltet Natur den großen Schatz;
Hier Ausfall und Verlieren, dort Ausgleich und Ersatz.
Der Stoff nur ist von Dauer und wechselt immerdar
Form und Gestalt, und was nun in eins gebunden war,
Das löst, rastlos geschäftig, die Zeit nach kurzer Weile,
Zerlegt die Lebenseinheit in unlebendige Teile...

Wohlan, ich hab' dem Schauspiel der Welt, dem wunderbaren,
Ein Weilchen zugesehen, ich durfte tief erfahren,
Was Leben heißt, und weiß auch von Lebens Lust und Glück;
Gern geb' den Elementen ich diesen Leib zurück.1

Der Welterobrer Cäsar, der Sängerfürst Birgit,
Newton, vor dessen Blicken so mancher Schleier fiel,
Ja, Mark Aurel, an Tugend mein Vorbild und mein Gott,
Die Hohen all erlagen dem großen Weltgebot;
Wie sollte ich da murren, wenn mit verdroßner Hand
Die Parze, die an jenen nichts zu verschonen fand,
Endlich auch meines Daseins, das ihr schon lang verleidet,
Längst abgegriffnen Faden erbarmungslos durchschneidet!

Was ist an diesem Leben zuletzt denn auch verloren?
Was ist des Menschen Dasein? Zum Leid sind wir geboren.
Wir bauen und zerstören, wir lieben und wir sehen
Hinsterben, was wir lieben, möchten vor Schmerz vergehen,
Trösten uns neu und fahren zum Schlusse selbst dahin —
Und dies, ihr Ärmsten, ist noch der lohnendste Gewinn!
Die Welt, die wir verlassen, war nur ein Unterstand,
Ein Zwischenort; wir leben wie fremd in fremdem Land,
Wie'n Wandersmann, der gern wohl sein Aug' an Feld und Wald
Erlabt im Weiterziehen, doch ohne Aufenthalt.

So wolln wir, Keith, im Kommen und Gehen dieser Welt
Mittraben unsre Strecke, solang es Gott gefällt...
Doch nichts soll uns gemein sein mit jener Gläubigkeit,
Der feigen, die vor Sünde die Höllenangst nur feit,


1 Vgl. Bd. VII, S. 276 und 287.