<295> nicht genommen haben, hätte ich mir nicht alles hübsch ausgerechnet und dabei gefunden, daß ich dann bestimmt besser zu leben hätte als Frau von der Tribelwitz — sie ist nicht annähernd so schön eingerichtet wie ich — und Frau Kreuzer, bei der es sehr dürftig hergeht, wie man weiß, oder Frau Turtelmann, die noch nie so hoch gespielt hat wie ich.

Nerine. Aber Ihr Herr Gemahl hat soviel gute Eigenschaften, gnädige Frau —

Frau Argan. Ach Possen! Von den guten Eigenschaften eines Mannes kann man nicht leben! Man muß doch essen und trinken, mein Liebchen, und vor allem seine Bequemlichkeit haben. Wenn man sich abstrapazieren muß, das ist ja kein Leben. Himmel, sind die Menschen dumm, die's besser wissen wollen! Ich habe Gottseidank noch jederzeit alle Frauen unseres Viertels ausgestochen. Manche hat vor Wut darüber die Gelbsucht gekriegt. Und alle platzen vor Neid, daß wir mehr vorstellen!

Nerine. Ich denke grad, wie Sie Fräulein Julie verheiraten könnten, und da kommt mir eine gute Idee. — Der Herr Mondor ist doch ein charmanter, liebenswürdiger junger Mann. Der wird Ihnen sicher besser zusagen als der Firlefanz.

Frau Argan. Aber er hat ja kein Einkommen. Er ist arm wie ein Poet.

Nerine. Leute dieser Art, die soviel Geist haben, machen oft ihr Glück. (Zu Julie:) Vorwärts, Fräulein, vorwärts!

Julie. Ja, liebe Mutter, er verehrt Sie so sehr.

Frau Argan. Was kaufe ich mir für seine Verehrung!

Julie. Mit seinen reizenden Geschichten unterhält er Sie so schön!

Frau Argan. Aber er versieht noch nicht einmal Cavagnole1 zu spielen.

Julie. Ihnen zu Liebe wird er alles lemen.

Frau Argan. Laß gut sein, du Grünschnabel, mach mir den Kopf nicht heiß mit deinem lästigen Kram. Ich sehe, dein Vater kommt. Zieh dich jetzt zurück.

Vierte Szene

Argan. Frau Argan (die in ihrem Fauteuil bleibt und den Gatten nur flüchtig grüßt) Frau Argan. Na, was gibt's, mein Herzchen?

Argan. Ich habe mit dir zu reden. Es handelt sich um unsere Tochter: Herr Bardus möchte sie für seinen Sohn haben.


1 Ein Glücksspiel mit Kugeln oder Karten, die aus einem Beutel gezogen werden, eine Art Zahlenlotterie.