<296> Frau Argan. Er ist reich. Weiter braucht es nichts. Auf den Firlefanz hab' ich schon lang Absichten für unsere Tochter. Das Gänschen ist ihn garnicht wert.

Argan. Ich finde ihn ja ganz nett, bin aber auch recht froh, daß ich eine so vernünftige Tochter habe.

Frau Argan. Vernünftig, vernünftig! Schön, vernünftige Tochter! Jawohl, Herr, so sieht sie aus! Bleibt bei den Redouten bis Mitternacht auf, ißt an Operntagen um zehn Uhr Abendbrot!

Argan. Was ist denn Schlimmes dabei? Soll ein junges Mädchen die Passionen einer alten Frau haben?

Frau Argan. Es stimmt allerdings, daß man alt wird. Aber wie du mich genommen hast, war ich jung, mein Schäfchen. Es wird nicht anders gehen, du wirst mich schon so behalten müssen, wie ich bin.

Argan. Ich habe dir dein Alter nicht vorgehalten. Ich habe dir nur ganz einfach gesagt, daß ein Mädchen von achtzehn Jahren nicht den ganzen Tag daheim hocken kann, und daß es Vergnügungen gibt, die man ihm ruhig verstatten darf.

Frau Argan. Vergnügungen sind schreckliche Strapazen. Einmal in meinem Leben war ich in der Komödie, aber zehn Pferde sollen mich nicht mehr hinkriegen! Todkrank war ich von der Geschichte. Drei Wochen konnt' ich nicht vom Bett aufstehen. Gräßliche Strapazen sind das. Das bringt einen ja um. Um drei viertel zehn muß ich eingeschlafen sein, sonst kann ich nicht leben. Mein Fräulein Tochter aber, die ist ganz anders. Die artet nach dir. Na, ich nenne sie ja auch nur noch deine Tochter. Dahingegen mein Sohn, der Leutnant — der arme Junge! Der ist mein Ebenbild. Mein Geist, mein Charakter, mir wie aus den Augen geschnitten!

Argan. Wozu denn diese Erörterungen? Ob die Kinder dem Vater ähneln oder

durchaus der Mutter nachschlagen, das ist ganz gleichgültig, wenn sie bloß ordentliche

Menschen sind.

Frau Argan. Wenn ich an mein armes Christophchen denke! Alle acht Tage muß

er einmal auf Wache ziehen. O, er kommt mir noch um in dieser Garnison. Ich Hab'

ihm wenigstens von meinem guten Kaffee geschickt und Chinatee und einen Rest von

einem hübschen Stoff für einen Schlafrock und ein gutes Daunenbett. Das arme

Kind! Er darf sich garnicht ausziehen, wenn er die Wache hat. Denke doch nur, mein

Schäfchen, so eine ganze Nacht lang in den Kleidern stecken zu müssen!

Argan. Er hat seine Pflicht und Schuldigkeit zu tun. Er soll sich seines Rangs

würdig zeigen. Du aber, liebe Frau, du verwöhnst ihn. Das muß ihn weich und

weibisch machen.

Frau Argan. Jawohl, ich verwöhne ihn auch, den armen Christoph, weil ich nicht

will, daß er mir stirbt. Daß ich dir's nur sage: ich habe auch die Schulden bezahlt,

die er machen mußte.