8915. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.

Hauptquartier Michle, 8. Mai 1757.

Nachdem ich gestern gegen Abend allhier in Sr. Königl. Majestät neuem Hauptquartier angekommen bin15-5 und mich nach verschiedenen<16> Umständen wegen der vorgestrigen Bataille näher erkundiget habe, so habe nicht ermangeln wollen, Ew. Excellenz von dem, so in der wenigen Zeit meines Hierseins in Erfahrung bringen können, einiges nachrichtlich zu melden. Und zwar habe ich gesehen, wie, gottlob! die Victoire Sr. Königl. Majestät über die feindliche [Armee] so complet gewesen, als mir solche zuerst nicht vorstellen können, da Se. Königl. Majestät währender Bataille die beiden Flügels der feindlichen Armee separiret und dadurch zuwege gebracht, dass der rechte davon nach der Gegend von der Sazawa fliehen müssen, der dann noch bis heute von unsern Husaren verfolget wird; der andere Flügel aber nebst der österreichischen Generalität, Prinz Karl von Lothringen (welches letztere ich aber noch in Zweifel setze), der Marschall Browne, der eine Flügel von der Cavallerie, Infanterie, Husaren und Panduren haben sich in Prag eingesperret, und stehet es dahin, wie sie von dar wieder herauskommen können werden, ohne den zweiten Tome von der sächsischen Armee bei Pirna zu machen, welches, wenn es des Königs Majestät glücklich reussirete, den Coup de grâce geben würde, auch nicht so gar ohnwahrscheinlich ist, da die Sortie aus Prag denenselben schwer fallen, einer solchen Cohue von Menschen aber länger als 10 Tage höchstens [auszuhalten], denen Nachrichten nach, so man von denen darin befindlichen Magazins hat, nicht wohl möglich fallen dörfte.

Die Aussage derer Deserteurs von dem Tode des Feldmarschall Browne16-1 ist ungegründet gewesen, wohl aber wahr, dass derselbe am Fusse blessiret und davon bettlägerig ist, so wie ihn der königliche Obrister und Generaladjutant von Krockow, der in die Stadt zum Auffordern geschicket worden, selbst gesprochen hat.

Die Anzahl der Gefangenen vom Feinde, desgleichen der genommenen Canons und was an anderen Brimborions, so sonst an Fahnen, Estandarten, Fahnen16-2 pp. Trophées genannt werden, ist noch nicht mit Bestände zu nennen, da noch viele Canons auf dem Felde und auf denen genommenen Batteries herumstehen, so wegen Mangel an Pferden vom Lande noch nicht zusammengebracht werden können. Die Anzahl der Gefangenen ist mir bisher auf 5000 angegeben, es ist aber kein Staat darauf zu machen, weil noch stündlich dererselben grosse Trupps eingebracht werden. Was Ew. Excellenz ich von Nehmung des österreichischen Lagers und Bagages gemeldet,16-3 solches hat seine Richtigkeit, und ist selbiges theils geplündert, theils verbrannt, theils den Bauren preisgegeben worden.

Im übrigen ist es wohl an dem, dass die 4 à 5 Stunden, als von 3/4 auf 10 Uhr Vormittages bis Nachmittages um ohngefähr 3 Uhr, da die Bataille eigentlich gedauret hat, sehr schwer und meurtrières gewesen seind, und des Königs Majestät viel brave und meritirte Officiers verloren und an Todte und Blessirte gehabt haben. Unter<17> welchen denn wohl der Feldmarschall von Schwerin am ersten zu zählen, der durch seinen etwas zu grossen Ardeur bewogen [worden], als gleich am Anfang ein oder anderes von seinen aus Schlesien mitgebrachten Regimentern nicht so, wie sie gesollt, dem ganz extrem starken Kanonenfeuer entgegengehen wollen, vom Pferde zu steigen und, eine Fahne in der Hand, zu Fusse voraufzugehen, da dann ein unglücklicher Canonschuss mit ihm geendiget hat. Der Generallieutenant von Hautcharmoy ist nicht, wie es anfänglich geheissen, gefährlich in der Brust, sondern nur leicht am Fuss blessiret,17-1 und die Blessur, so der Generallieutenant von Winterfeldt von einem Schuss durch den Hals bekommen, lässet sich so wohl an, dass man alle Hoffnung hat, ihn in Zeit von ohngefähr drei Wochen retabliret zu sehen. Unter denen verschiedenen Herrn Generalmajors, die blessiret worden, ist keiner von Gefahr, noch besorglichen Suites. Der Generalmajor Amstel, Obrist Prinz Holstein vom Württemberg'schen Regiment, Obrist von Goltz vom Fouqué'schen Regiment, Manstein von Anhalt seind in der Action geblieben.

Vor das übrige dörfte der Verlust an Todten und Blessirten wohl zwischen 5 à 6000 gehen, von welchen letzteren doch sehr viele wieder bald reconvalesciren dörften. So stark diese Zahl zu sein scheinet, so ist es doch in gar keinen Vergleich mit der Entreprise zu setzen, da die feindliche Armee in einer so avantageusen Position gestanden, dass alle Kenner, auch der Feind selbst gestehen, wie es keinen als preussischen Truppen möglich gewesen, dergleichen zu attaquiren, geschweige dann, eine Armee daraus zu delogiren und, so wie geschehen, zu poussiren und à plate couture zu schlagen. Eine ganz enorm starke Artillerie, vom Feinde abandonnirte Batteries, einer hinter dem andern liegende Berge und Höhen, Carrières und hohle Wege, die man nicht siehet, bis man nahe bei ist, Precipicen, so nicht bestiegen, sondern nur grimpiret werden können, schmale Wege und Fusssteige durch Moräste seind noch redende Proben, so ein jeder vorbeireisender, so auch nicht von Métier ist, observiren kann, von dem, was hat geschehen müssen.

Ich gerathe aber in eine Sphère, die sich vor mich nicht schicket, und melde nur noch mit wenigem, dass es des Königs Majestät bisher noch nicht möglich gewesen ist, an die Anfertigung einer umständlichen Relation denken und arbeiten zu lassen, wozu Sie aber nächstens schreiten zu wollen Hoffnung geben.17-2

Von des Feindes Verlust in dieser Bataille, der aber sehr beträchtlich gewesen sein muss, ist noch nichts mit Zuverlässigkeit zu sagen; die Gefangene und die Deserteurs exaltiren solchen sehr, und einer von letzteren hat mir selbst souteniren wollen, dass das Regiment von Colloredo, worunter er gestanden und aus Prag weggegangen, überhaupt 6 Mann stark in Prag einmarschiret sei. Wie aber auf dergleichen<18> Leute Aussage nicht sonderlich zu bauen, so ist es doch einigermaassen notable, dass, als wie obgedacht der Obriste von Krockow in Prag gewesen, er nach verschiedenen Generalspersonen und vielen Stabesofficiers gefraget worden, um zu wissen, ob sie gefangen worden, von welchen man nicht wüsste, wo sie geblieben wären, davon aber hier auch noch nichts bekannt ist.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



15-5 Vergl. S. 14.

16-1 Vergl. S. 10.

16-2 Sic.

16-3 Vergl. S. 10.

17-1 Hautcharmoy starb am 17. Mai an seinen Wunden.

17-2 Vergl. Nr. 8917.