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Der Nachwelt steht das Urteil über uns alle nach unserm Tode zu; während unseres Lebens müssen wir uns selbst beurteilen. Sind unsre Absichten lauter, lieben wir die Tugend, trägt unser Herz nicht die Mitschuld an den Irrtümern unseres Geistes und sind wir überzeugt, daß wir unserm Volke all das Gute getan haben, das wir ihm tun konnten, so muß uns das genügen.

Man wird in diesem Werke von geschlossenen und wieder gebrochenen Bündnissen hören. Dazu muß ich bemerken, daß wir von unsern Mitteln und Fähigkeiten abhängen: wenn unsre Interessen wechseln, so müssen wir uns mit ihnen ändern. Unser Amt ist es, für die Wohlfahrt der Völker zu sorgen. Finden wir, daß in einem Bündnis Gefahr oder Unsicherheit für sie liegt, so müssen wir es brechen, um sie zu schützen; da opfert der Herrscher sich selbst zum Wohle seiner Untertanen. Die Annalen der Weltgeschichte liefern zahllose Beispiele dafür, und man kann in der Tat nicht anders handeln. Die Leute, die dieses Verhalten so heftig verurteilen, sehen in dem gegebenen Wort etwas Heiliges. Sie haben recht, und als Privatmann denke ich wie sie. Denn ein Mensch, der einem andern sein Wort verpfändet, muß es halten, selbst wenn er unbesonnen ein Versprechen geleistet hat, dessen Erfüllung ihm Schaden bringen muß; denn die Ehre geht über den Vorteil. Ein Fürst aber, der sich verpflichtet, tut das nicht für sich selbst; sonst wäre er ja in der Lage des Privatmanns. Er setzt große Staaten und weite Provinzen tausendfachem Unglück aus; es ist also besser, der Herrscher bricht seinen Vertrag, als daß das Volk zugrunde geht. Was würde man von einem Chirurgen sagen, der einen brandigen Arm aus dem lächerlichen Bedenken nicht amputieren wollte, weil das Abschneiden eines Armes eine unrechte Handlung ist? Sieht man denn nicht ein, daß es viel schlimmer ist, einen Menschen umkommen zu lassen, wenn er noch zu retten wäre? Ich wage zu behaupten: es sind die Umstände einer Handlung, alles, was sie begleitet und was aus ihr folgt, wonach man sie als gut oder schlecht beurteilen soll. Aber wie wenige urteilen so aus der Kenntnis der Ursachen! Die Menschheit ist eine Herde. Sie folgt blindlings ihrem Führer, und wenn ein geistreicher Mann ein Wort sagt, so sprechen es tausend Toren ihm nach.

Ich kann es mir nicht versagen, hier noch einige allgemeine Gedanken über die großen Ereignisse anzufügen, die ich beschreibe. Ich finde, in den mächtigsten Staaten herrscht mehr Unordnung als in den kleinen; trotzdem erhält sich die Maschine durch ihre Größe in Gang, und man wird der inneren Mißstände nicht gewahr. Ich mache die Beobachtung, daß die Fürsten, die ihre Waffen zu weit über ihre Grenzen hinaustragen, stets Unglück haben; denn sie können diese weit vorgeschobenen Truppen nicht ergänzen, noch ihnen zu Hilfe kommen. Ich mache die Beobachtung, daß alle Nationen tapferer sind, wenn sie für den heimischen Herd fechten, als wenn sie ihre Nachbarn angreifen. Sollte das nicht an einem uns zur Natur gewordenen Grundsatz liegen, nach dem es gerecht ist, sich zu verteidigen, nicht aber seinen Nachbarn anzufallen? Ich sehe, daß die französische und spanische Flotte der englischen nicht widerstehen können, und ich

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