<274> wundere mich, daß die spanische Seemacht zur Zeit Philipps II. der englischen und holländischen ganz allein überlegen war. Ich bemerke mit Verwunderung, daß alle diese Rüstungen zur See keine andere Wirkung haben, als daß sie den Handel, den sie schützen sollen, vernichten. Auf der einen Seite steht der König von Spanien, Herr von Peru, aber in Europa verschuldet an alle Beamten der Krone, ja an die Hofbediensteten und die Arbeiter von Madrid; auf der andern die englische Nation, die mit vollen Händen die Guineen vergeudet, die sie durch dreißigjährigen Gewerbfleiß verdient hat. Ich sehe, wie die Pragmatische Sanktion halb Europa die Köpfe verdreht, wie die Königin von Ungarn ihre Provinzen zerstückelt, um deren Unteilbarkeit zu sichern. Der Krieg, der in Schlesien ausbricht, wird zum Weltbrand, und seine Schrecklichkeit wächst in dem Maße, wie er um sich greift. Die Hauptstadt der Welt steht dem ersten besten offen; der Papst segnet die, welche ihm Kriegssteuern aufbürden; er wagt seinen Bannstrahl nicht gegen sie zu schleudern, und Italien wird unterjocht und geht verloren. Das Glück ist launisch; keine Macht erfreut sich dauernden Wohlergehens; rasch kommen die Rückschläge nach den Erfolgen. Wie ein wütender Bergstrom reißt England die Holländer in seinem Laufe mit, und diese besonnenen Republikaner, die ihre Deputierten zur Führung der Heere entsandten, als die größten Männer Europas, ein Prinz Eugen, ein Marlborough, an deren Spitze standen, schicken jetzt niemanden hin, wo der Herzog von Cumberland und der Fürst von Waldeck mit der Heerführung betraut werden1. Auch der Norden fängt Feuer, und es entbrennt ein für Schweden verhängnisvoller Krieg; Dänemark regt sich, murrt und beruhigt sich wieder; nur Polen bleibt unberührt, weil es in seiner Ohnmacht keine Eifersucht erweckt. Sachsen wechselt zweimal die Partei2; beide Male wird sein Ehrgeiz enttäuscht: zuerst geht es leer aus; dann wird es zu Boden geschmettert. Das verhängnisvollste jedoch ist das furchtbare Blutvergießen: Europa gleicht einem Schlachthause; überall sieht man blutige Schlachten, als hätten die Fürsten beschlossen, die Welt zu entvölkern. Die Verwickung der Ereignisse hat die Gründe zum Kriege verändert: die Wirkungen dauern fort, obgleich die eigentlichen Ursachen verschwunden sind. Ich glaube einen Haufen Spieler zu sehen, die in ihrer Leidenschaft die Partie erst dann aufgeben, wenn sie alles verloren oder ihre Gegner zugrunde gerichtet haben. Fragte man einen englischen Minister: „Warum führt ihr den Krieg weiter?“ so würde er antworten: „Weil Frankreich die Kosten für den nächsten Feldzug nicht mehr aufbringen kann.“ Stellte man die gleiche Frage einem Franzosen, so lautete die Antwort ganz ähnlich. Behielte auch eine von beiden Parteien recht, so muß man sich doch fragen, ob die Eroberung von zwei, drei Grenzplätzen und einem kleinen Landstrich, ob eine geringe Grenzerweiterung noch als Erfolg angesehen werden kann, wenn man die ungeheuren Kosten dagegenhält, die der Krieg verschlungen hat, die


1 Während des Österreichischen Erbfolgekrieges.

2 Im Ersten Schlesischen Kriege verbündete sich Sachsen zunächst (Februar 1741) mit Österreich, trat dann (August 1741) auf Frankreichs Seite und schloß sich im Dezember 1743 abermals dem Wiener Hofe an.