9791. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL VON LEHWALDT.

Breslau, 22. Februar 1758.258-3

Ich habe wohl ersehen, was Ihr in Eurem Schreiben vom 17. dieses wegen Eurer bisherigen dortigen Operationen ganz umständlich melden wollen. Ich muss Euch darauf zu erkennen geben, wie es Mir scheinet, als ob Ihr die wahre Beschaffenheit unserer jetzigen Situation nicht genug einsehet. Wenn Ich Truppen genug hätte, um gegen jeden Feind eine Armee stellen zu können, so würde Ich nicht embarrassiret seind und in allen Stücken denen ordinären Regeln des Krieges folgen; so aber und da Meine Situation nicht dergestalt ist, und Ich vielmehr auf drei, vier Orte zugleich Meine Attention richten muss, wohin Ich nicht überall Armeen entgegenstellen kann, so muss Ich also suchen, an Einem Ort vorerst mit Einem Feinde fertig zu werden, um Mich weiter, wohin es am nöthigsten ist, drehen zu können.

Ihr werdet also hieraus erachten, wie nothwendig und wie lieb es Mir gewesen sein würde, wenn Ihr gleich mit Anfang des Winters, und nachdem Ihr über die Peene gekommen, den dortigen Feind so<259> fassen und nehmen können, dass es dorten mit ihm auf einmal aus gewesen wäre. Ich wünsche auch sehr, dass solches noch von Euch geschehen möge, wozu aber mit einem Bombardement von Stralsund wenig ausgerichtet sein und nichts weiter herauskommen dörfte, als dass einige Häuser in der Stadt verbrannt und einige Einwohner dadurch unglücklich gemachet werden. Auf Flotten zur See müssen wir auch keine Rechnung machen, da Ich keine dergleichen zu disponiren habe, die Engelländer aller Meiner Vorstellungen ohnerachtet aber bisher schlechterdinges nicht dahin zu bringen gewesen, eine Flotte in die Ostsee zu senden.259-1 Woferne Ihr also sonsten nicht noch Euren Coup machen könnet, um dort zu endigen, so werdet Ihr leicht einsehen, dass sonst nichts weiter herauskommen wird, als dass wir in einer sehr genirten Situation dort kommen müssen.

Sonsten kann Ich ausserdem nicht umhin, noch zu bemerken, als ob Ihr Euch eine etwas zu favorable Idee von der schwedischen Artillerie und eine gar zu schlechte Vorstellung von der unsrigen machet. Ich glaube aber, dass Ihr besser thun werdet, wenn Ihr darunter mehr das Mittel haltet und vielmehr nur dabei bedacht seid, unsrigem dasigen Artilleriewesen durch fleissiges Exerciren und gute Anführung aufzuhelfen. Bei der ganzen Sache überhaupt müssen wir alle beständig guten Muth haben und gedenken, dass, ohne etwas zu risquiren, in unserer Situation nichts gedeihliches geschehen kann; daher Ich Euch dann auch auf das gnädigste ersuche, Euch dadurch nicht niederschlagen, noch von vigoureusen Efforts, wo solche nöthig seind, zurückhalten zu lassen, wenn es im vorigen Jahre mit denen Russen dermalen nicht so gegangen, wie es gewünschet worden;259-2 vielmehr müssen wir uns nunmehr nichts daraus machen, sondern solches wieder abzuschütteln suchen.

Ich zweifele nicht, Ihr werdet dieses alles in Erwägung nehmen und bedenken, was alles geschehen kann, wenn wir nicht suchen, dorten durch einen guten Coup zu endigen, damit Ich von den Corps weiter disponiren kann.

Friderich.

Nach dem Concept.



258-3 In einem Schreiben an Lehwaldt, d. d. Breslau 16. Februar, befiehlt der König, ein Dragonerregiment nach Stolpe zu senden, um die Bewegungen der Russen zu beobachten. (Lehwaldt sandte darauf das Dragonerregiment Platen nach Hinterpommern, vergl. S. 283.) In einem anderen Schreiben, d. d. Breslau 19. Februar, äussert der König, wenn die Nachricht, dass die Russen Trappen nach Hinterpommern senden wollten, begründet sei, so würden doch noch 6 oder 8 Wochen vergehen, bis sie die nothwendigen Vorkehrungen getroffen hätten.

259-1 Vergl. S. 228.

259-2 Vergl. Bd. XV, 494.