11109. AN DEN GENERALMAJOR VON WOBERSNOW.

Wabersnow meldet, Landsberg 18. Juni, dass nach den erhaltenen Nachrichten alles von der russischen Armee sich nach Posen wende, und dass der grösste Theil derselben in dasiger Gegend bereits eingetroffen sein müsste. Im Fall der König befehle, „dass das hiesige Corps d'armée in Polen einnicken und den Feind angreifen oder zurückjagen soll, so würden hierunter zweierlei differente Maassreguln zu nehmen sein“ .

„Die erste bestünde darinne, dass man grades Weges auf Posen niarschirte und das feindliche Magazin zu nehmen suchte. Bei dieser Gelegenheit würde, da die russische Armee sich bei Posen sehr verschanzet und festes Lager hat, es entweder zur Bataille kommen, oder der Feind rnüsste die Stadt nebst dem Magazine verlassen, woferne er nicht durch Feuer beides verderben wollte, und dann bliebe ihm weiter kein Mittel übrig, als grades Weges nach Thorn und über die Weichsel zurück zu gehen.

„Der zweite Weg wäre, den Marsch längst der Warthe, Posen rechter Hand lassend, zu dirigiren, bei Obernick oder Wronchy334-2 diesen Fluss mit Pontons zu pas<335>siren und sich grade auf Thorn zu wenden; da denn der Feind, weil seine grosse Magazine noch alle zurück über der Weichsel sind, von Selbsten umkehren und seinen avantageusen Posten bei Posen verlassen müsste. Man würde durch dieses Manoeuvre den Vortheil erreichen, die feindliche Armee von Schlesien abzuziehen, sie ausser dem Retranchement zu attaquiren und Pommern sowohl als die Mark durch unsere Stellung zu decken.

„Ich kann inzwischen hierbei nicht ohnbemerket lassen, dass in letzterem Fall die Moyens, der Armee bei solchen Märschen und Unternehmungen die erforderliche Subsistance zu verschaffen, unendlichen und denen grössten Schwierigkeiten unterworfen sein würden; wenn indessen die ganze Expedition binnen vier Wochen geendiget sein könnte, so würde man suchen müssen, inwieweit das schwere möglich zu machen sein dürfte.“

Reich-Hennersdorf, 20. Juni 1759.

Nachdem Ich den Einhalt Eures sogleich erhaltenen Schreibens vom 18. dieses mit mehrerm ersehen habe, so gebe Ich Euch darauf in Antwort, wie Ihr wohl wisset, dass Ich Mein Tage nicht vor die Projecte bin, welche geradezu gehen, indem mit solchen nicht viel herauskommet. Das zweite Project aber, nach welchem Ihr meinet den Marsch derer Truppen so zu dirigiren, als wenn wir auf THorn wollten, solches ist freilich das sicherste und das beste, und wenn man alsdenn den Feind auf eine vernünftige Art und mit guter Disposition attaquiret, so hat man alle Ursach, sich zu fiattiren, dass man reussiren könne.

Die Lebensmittel mitzuschaffen, ist so schwer nicht, und solches nichts. Auf drei Wochen Mehl kann mit Eurem dortigen Proviantfuhrwerk inclusive335-1 des Brods, so der Bursche traget, mitgenommen werden, und mit solchem zusammen wird sich auf 8 Tage noch wohl Rath schaffen [lassen], so mitgenommen werden kann.335-2 Vieh habt Ihr bei Euch, Salz könnet Ihr aus der Neumark bekommen, die Marketender können auf drei Wochen Branntwein und Tobak mit sich nehmen, und wenn die Expedition gut gehet, so wird solche in Zeit von ohngefähr 14 Tagen vorbei sein.

Die Ursachen, welche Mich dieses Project approbiren machen, seind diese, dass

1. Die feindliche Armee jetzo in schlechten Umständen sein soll.

2. Dass das Corps von Rumänzoff nicht bei der feindlichen Armee.

3. Dass, wenn wir den Feind weiter vorlassen, Ich den Krieg in Meinen Landen bekomme, den Ich lieber in Polen haben will.

4. Dass, wenn die Russen erst Meine Armee nach der Gegend von Glogau gezogen haben, sie alsdenn den Rumänzoff gerade auf Colberg schicken werden, wo dann kein Mensch wird zu Hause sein, um den Platz zu entsetzen.

<336>

5. Dass, wenn man den Feind präveniret, so derangiret man nicht allein seine eigene Operationes, sondern überdem noch diejenigen, so er mit seinen Alliirten concertiret hat.

6. Dass nach allen Meinen Nachrichten, so Ich von Daun habe, so will er erst den Einschnitt abwarten, bevor er was operiren will. Dieses spielet die Sache gar zu sehr in die Länge.

7. Dass die Franzosen Mir eine gar zu grosse Apprehension vor Meinen Bruder Heinrich geben, und dass Mich also in der Nothwendigkeit finde, Mich von einem Feind zu debarrassiren, um dem andern auf den Hals zu gehen.

8. Und weil Ich hier mit Daunen nicht vom Fleck kommen kann, so werdet Ihr also dorten das leichteste Spiel haben. Das einzige, so dabei zu observiren, ist, dass wir nicht müssen geschlagen werden; jedoch wäre auch solchen ohnverhofften Falls die Warthe eine Ressource, um sich dahinter zu setzen, und das schlimmste, so dadurch arriviren kann, wäre, dass wir den Krieg alsdenn im Lande bekämen.

Wenn man also die Wichtigkeit aller dieser Punkten überleget hat, so bleibet nichts anders übrig, als die Sache zu tentiren.

Das weiss der Teufel, was der Daun vor hat, aber die Zauderei kann leichte noch einen ganzen Monat dauren. Hier kriege ich zehn falsche Zeitungen täglich, welche mir aber nicht turbiren. Also nach acht gründliche Ursachen ist nichts besser, als dieses Project zu executiren; das vornehmste kömmt auf der Execution an. Manteuffel und Hülsen haben die beide Flügel, Kanitz das zweite Treffen.

Friderich.

Nach der Ausfertigung in der Grossherzogl. Hofbibliothek zu Darrnstadt. Der Zusatz eigenhändig.



334-2 Obornik und Wronke.

335-1 So. Wahrscheinlich ist zu verstehen: exclusive.

335-2 So, An Dohna (vergl. Nr. 11 110. Anm. 1.) lautet die Weisung: „Auf drei Wochen Mehl kann Euer dortiges Proviantfuhrwerk mitnehmen; mit dem Brod, so der Bursche träget, kann noch wohl auf 8 Tage Rath geschaffet werden.“