12088. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Lager bei Meissen, 18. Mai 1760.

Es ist Mir Eure Dépêche, vom 11. des letzteren Monates April datiret, über Breslau durch den Hintzen gestern Abend allhier richtig zugekommen, aus welcher Ich dann mit vieler Zufriedenheit ersehen habe, dass Ihr Mein Schreiben vom 24. Februar349-2 nebst dessen Duplicat richtig bekommen und dass bei Abgang Eurer Antwort darauf die Disposition der Pforte und des Grossvezier noch ebenso favorable vor Meine Sache geblieben, als solche nach Eurem vorhergehenden Berichte gewesen.

Ich zweifele auch im geringsten nicht, es werde Euch Mein den 24. März von Freiberg und darauf den 9. April von Warschau durch die beiden Expressen des Fürsten zu Jassy abgegangenes Schreiben,349-3 mit welchem Euch die so sehr von Euch erwartete Originalschreiben an den Sultan und an den Grossvezier zugesandt worden, richtig zugekommen seind, und da Ich rechne, dass Ihr solche zum spätesten den 12. dieses ohngefähr erhalten haben werdet, so flattire Ich Mich, dass nunmehro der Tractat der Defensivalliance wirklich von dem Grossvezier und Euch gezeichnet und alles seine Richtigkeit erhalten haben werde, davon Ich der Nachricht, wie Ihr leicht erachten werdet, mit sehr grossem Verlangen entgegensehe.

Was das Betragen des Porter anlanget, da wisset Ihr schon, wie es Mir überall so vorgekommen, dass die Engelländer wegen ihres<350> Commercii mit Russland gegen die Russen nie recht beissen wollen.350-1 Ihr werdet doch aber auch aus der mit Meinem Schreiben vom 10. dieses350-2 Euch communicirten Abschrift der Instruction, so das englische Ministerium dem Porter von neuem [gegeben], ersehen haben, dass, wenn derselbe sich gegen den Dolmetscher der Pforte, so wie Ihr meldet, expliciret hat,350-3 er solches schlechterdinges wider die Ordres und Intentions seines Hofes gethan, als welcher und das Ministerium ganz anders darunter wie er gesonnen ist, und hoffe Ich auch, dass Porter, sobald er diese neue Instructions erhalten, sich besser betragen werde.

Wegen des von dem Grossvezier verlangeten Schreiben von dem König von Engelland an den Sultan habe Ich an Meinen Minister zu London geschrieben,350-4 bisher aber noch keine Antwort darauf erhalten, derer Ich noch gewärtig bin, allenfalls auch von neuem deshalb schreiben werde. Wenn in denen von Mir an Euch schon abgeschickten Schreiben an den Sultan und an den Grossvezier dergleichen Versprechen von einem von dem König von Engelland zu erhaltenden Schreiben noch nicht enthalten, so müsset Ihr consideriren, dass dergleichen in Eurer dermaligen Dépêche nicht gefordert worden, sonsten es ohne Bedenken in solchen mit inseriret worden wäre. Und da dergleichen Aenderung von solchen Schreiben sich nicht so geschwinde in denen jetzigen pressanten Umständen thun lassen, wie Ihr es glaubet, und zu viele Zeit darüber verloren gehet, so müsset Ihr auch nunrhehro dem Grossvezier alles Versprechen deshalb thun, dass Ihr solches Schreiben von dem König von Engelland noch durch Mich beibringen würdet, aber auch zugleich Himmel und Erde bei gedachtem Grossvezier anwenden, um ihn dahin zu bringen, dass sich weder die Zeichnung des Tractats, noch auch die wirkliche Operationes der Pforte daran accrochiren, unter der Vorstellung, dass die Expeditiones in Engelland wegen der vielen Formalitäten, so nach dortiger Regierungsform dabei observiret werden müssten, etwas langsam gingen, alles aber noch erfolgen solle ; dass aber, wenn man die Operationes darauf aussetzen wollte, die jetzo bequemste Gelegenheit, das Banat leichte zu erobern, vorbeigehen werde. Und da Euch der Grossvezier die wiederholte Versicherung gegeben, dass dieser Umstand von dem Schreiben des Königs von Engelland den Schluss des Defensivtractats nicht aufhalten solle, so müsset Ihr auch darauf insistiren und allenfalls die übrigen Raisons mit Corruption giltig machen. Ich glaube auch, dass, wenn Ihr den Medicum des Grossveziers vor denjenigen kennet, dessen Insinuations bei solchem Impression machen, Ihr nicht vergessen haben werdet, solchen durch gehörige Mittel vor Euch zu gewinnen. Ich schreibe auch nur pur zu Eurer Einsicht und Ueberlegung, ob es nicht möglich sei, dass Ihr selbst<351> den Porter, als den Ihr am besten kennen müsset, Euch in Eurer Affaire, so viel möglich, favorabeler machen könnet, damit er Euch mehr secondire, welches Ihr beurtheilen, aber auch sehr vernünftig und behutsam angreifen müsset.

Was die von Euch berührte Articuls des Tractats anlanget,351-1 da habe Ich Euch in allen Meinen letzteren Schreiben schon völlig autorisiret, dass Ihr es darunter so halten und es so fassen sollet, wie Ihr es vor Meinen Dienst und zu Erreichung Meines Hauptzweckes in denen jetzigen Umständen vor convenable finden werdet, so dass Ich Euch darunter ganz freie Hände gelassen. Ihr könnet also dem Tractat, was nöthig ist, noch beifügen; und da die Hilfe, so Mir von der Pforte geschehen soll, gar sehr pressiret, sonsten solche absolut wegen der grossen Uebermacht Meiner Feinde zu späte kommet, so müsset Ihr alle Conditiones, so die Pforte haben will, ohne einige Difficultäten dagegen zu machen, passiren, und wenn Ihr sehet, dass es nicht zu ändern ist, den Schluss des Tractats darum nicht arretiren.

Wegen des Geldes wisset Ihr schon vorhin aus Meinem Schreiben, dass Ich Euch völlig autorisiret habe, bis zu einer Million Reichsthaler an Corruptionen anzuwenden, um es dahin zu bringen, dass nicht nur der Tractat wirklich gezeichnet werde, sondern dass es auch gleich darauf und jetzo sonder Trainiren zum wirklichen Bruch und zur effectiven und vigoureusen Operation komme. Es stehen bereits 500000 Reichsthaler in allem baar auf denen Euch bekannten Wechselplätzen zu Eurer Disposition, und auf die erste Nachricht, so Ich von Euch erhalten werde, soll das übrige, so Ihr gebrauchet, auch sogleich von Mir dahin disponiret werden. Und weil Ihr selbst schreibet, dass alles dorten durch Corruptions auszurichten, so sollet Ihr nichts sparen, wenn Ihr es dahin bringen könnet, um die Pforte sogleich jetzt in Bewegung und zur wirklichen Eröffnung der Campagne zu bringen. Ich wiederhole es Euch nochmals, dass, wenn die Pforte sich Avantage verschaffen und Mich secundiren will, solches zum allerhöchsten pressiret und gleich auch noch im Monate Juni dieses Jahres geschehen muss, sonsten, wenn die Pforte länger wartet, sie ihr bestes Spiel verlieret, Mir aber alsdenn die Hilfe zu spät kommet, mithin, wenn sie was thun will, sie solches thun muss, weil Ich noch da bin und sie mit Nachdruck in ihrer Operation secondiren kann. Der Schritt, den sie schon gethan hat, ist zu weit, als nunmehro länger zu warten und den Moment zu versäumen, da es gewiss ist, dass, wenn Ich erst unterdrücket<352> bin, alsdenn die Oesterreicher und Russen es ihr nicht vergessen, sondern zusammen auf dem Halse fallen werden, ohne dass sie alsdenn einigen Beistand hat.

Was Ihr meldet, wegen derer Excesse, so die Armateurs an denen Türken begangen, gethan zu haben, solches approbire Ich sehr.352-1 Wie Ich Euch aber schon geschrieben, so habe Ich allen Armateurs Meinen Pavillon weiter zu führen ohne Unterscheid verboten;352-2 daher diejenigen, so sich dessen weiter bedienen und Excesse machen, als pure Seeräuber tractiret werden können.

Sonsten habe Ich Euch, obschon noch zur Zeit in höchstem Vertrauen und unter der Condition, das Secret davon noch zu menagiren, eröffnen wollen, dass auch der dänische Hof, welcher die Gefahr, so ihm selbst davon bevorstehet, wenn es denen Russen gelücken sollte, Mich dergestalt herunterzubringen, dass Meine Provinz Preussen unter der Botmässigkeit von Russland bliebe, [erkennet,] sich wohl nächstens entschliessen möchte, mit Mir in eine Alliance zu treten, um die Russen wiederum aus Preussen zu delogiren und Mir solches zu garantiren. Welches Mir dann den Krieg erleichtern und so mehr im Stande setzen würde, der Pforte in ihren Operationen zu assistiren und selbige bei dem Besitz des von ihr zu erobernden Banats zu souteniren. Ihr werdet wissen, ob es angehe und einigen Nutzen zu Euren Absichten schaffen könne, dass, ohne dass das Secret verletzet werde, Ihr dem ersten Interprète der Pforte etwas davon im Vertrauen insinuiret.

Friderich.

Wendet alles, was Ihr vermöget, an, damit Meine Sache mit der Pforte auf das schleunigste zur Richtigkeit komme und die Operationes gleich darauf erfolgen. Ihr seid an Ort und Stelle und müsset also wissen, wie Ihr Euch am besten darunter zu nehmen habet. Weitere Instructiones, als die Ihr habet, kann Ich Euch fast nicht mehr geben. Ich erwarte mit grosser Ungeduld Eure Antworten.

P. S.

Da Ich bereits vorläufig zwei Schreiben von Mir, an den Sultan sowohl als an den Grossvezier, ausfertigen lassen, in der Intention, Euch solche nur allererst alsdenn zuzufertigen, wenn der Tractat zwischen Mir und der Pforte wirklich unterzeichnet sein würde, und um Mich gegen beide deshalb zu bedanken, so habe Ich dennoch vor gut gefunden, Euch die Originalia von diesen beiden Schreiben nur sogleich bei dieser Gelegenheit mitsenden zu lassen, einestheiles damit, wenn der Tractat schon wirklich gezeichnet wäre, Ihr sodann solche Schreiben<353> behörigen Ortes übergeben und dadurch die Gelegenheit nehmen könntet, so mehr auf die wirkliche Operationes derer Türken zu treiben. Sollte aber der Tractat noch nicht gezeichnet seind, so verstehet es sich zwar von selbsten, dass Ihr diese beide Schreiben noch an Euch halten und nicht eher übergeben müsset, bis dass der Tractat zuvorderst gezeichnet sein wird; Ihr werdet Euch aber, wie Ich glaube, doch deren dazu bedienen können, dass, falls der Grossvezier eine Anicroche daher machen wollte, dass in Meinem vorhin auch Euch zugesandten Schreiben an ihn und den Sultan nichts wegen des Königs von Engelland enthalten, Ihr alsdenn dem Interpreten der Pforte und allenfalls auch selbst dem Grossvezier diese Meine beide jetzige Schreiben, es sei in Original oder auch in einer türkischen Uebersetzung, gleichsam wie in Vertrauen vorzeigen und einsehen lassen könnet, mit der Insinuation, dass es nur von der Unterschrift des Tractats dependire, da Ihr sogleich darauf beide Originalschreiben übergeben würdet. Ihr müsset wissen, ob und wie Ihr den besten Gebrauch davon machen könnet.

Zum Ueberfluss avertire Ich Euch noch, dass, wenn Euch wider alles Vermuthen wegen dieser jetzigen beiden Schreiben das Dubium gemachet werden sollte, dass Meine Minister solche nicht contrasigniret hätten, Ihr alsdann darauf antworten könnet, wie diese beide Schreiben eigentlich Cabinet- oder Handschreiben von Mir wären, welche die Prérogative hätten, dass Meine Minister solche niemalen contrasignireten, welches sonsten wohl bei denen aus der Kanzelei ausgefertigten Schreiben geschähe, und dass dieses eine beständige Étiquette bei uns sei, davon nicht abgegangen würde.

Nach dem Concept.



349-2 Nr. 11859.

349-3 Gemeint ist offenbar das Schreiben vom 30. März, Nr. 11954.

350-1 Vergl. S. 310.

350-2 Nr. 12072.

350-3 Vergl. Nr. 12091.

350-4 Vergl. Nr. 11955.

351-1 Rexin hatte geschrieben, es „wäre noch sehr nötbig gewesen mir anzuzeigen, ob den England zu Liebe ausgelassenen relevanten Articul (vergl. Ed. XVIII, 343. 344), wie auch, was mir Ew. Königl. Majestät im letzten Schreiben berichtet, und ich die Pforte bereits wissen lassen, nämlich, dass Ew. Königl. Majestät niemals einen Frieden machen würden, ohne die Pforte mit einzuschliessen, ingleichen die Garantie dessen betreffende, was die Pforte etwan occupiren möchte — falls dieses alles die Pforte verlangte —, es dem Tractat noch beifugen könnte.“

352-1 Rexin hatte, um zu verhindern, dass die Geschädigten sich mit ihrer Klage an den Sultan wendeten, das Versprechen gegeben, „dass, sobald von denen Effecten, so diese Leute verloren, und von der Gültigkeit ihrer Prétentions informiret sein werde, ich solche ihres Verlustes wegen völlig contenüren werde“ .

352-2 Vergl. S. 216.